James Bond auf Arabisch - Comic-Helden bieten Extremisten die Stirn

Trotz Massenmorden und Horrorbildern wirken der IS und andere Terrorgruppen auf viele Jugendliche anziehend. Ein Jordanier will die Radikalisierung bekämpfen - und erfindet dafür arabische Superhelden. Von Gioia Forster

Element Zero bereitet sich auf seine Mission vor. Die Maske übergestreift, den Helm tief ins Gesicht gezogen, zückt er seine Waffe. Dann stürmt er mit seinem Team von Agenten in das Gebäude. Der Superheld springt auf den Seiten des Comicbuches umher, klettert Häuserwände hinauf und tritt Türen ein.

«Wie ein arabischer James Bond oder Jack Bauer aus der Serie 24», sagt Suleiman Bakhit. Captain Zero ist seiner Fantasie entsprungen. Bakhit erschafft arabische Superhelden - und will damit den Extremismus bekämpfen. Warum schließen sich junge Menschen Terrorgruppen wie dem Islamischen Staat (IS) an? Mit dieser Frage beschäftigt sich Bakhit seit Jahren.

Der Unternehmer ist Jordanier und Sohn eines ehemaligen Premierministers. Sein Land ist wie viele in der Region besonders von der Anziehungskraft des IS betroffen. Bereits rund 2.000 Jordanier haben sich nach Schätzungen der Soufan Group dem IS und anderen Terrorgruppen in Syrien und dem Irak angeschlossen.

Ein Grund: Perspektivlosigkeit. In vielen arabischen Ländern gebe es für junge Menschen wenig Bildungschancen und Jobperspektiven, sagt Anja Wehler-Schöck, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Jordanien. Zudem erlebten die Menschen oft Regimes, die eng mit dem Westen verbündet seien. Das bringe vor allem islamisch-konservative Teile der Gesellschaft in einen Zwiespalt, sagt Wehler-Schöck. «Der IS gibt den Verlierern der Gesellschaft eine Möglichkeit, Helden zu sein.»

Bakhit wollte das Thema Heldentum erforschen. Deshalb besuchte er Schulklassen in Jordanien und fragte, was für Helden die Kinder hätten. An ihre Antworten erinnert er sich gut: Anstatt Batman und Superman nannten sie den ehemaligen Al-Qaida-Führer Osama bin Laden oder Abu Mussab al-Sarkawi, den jordanischen Gründer des IS-Vorläufers. Arabische Comic-Helden kannten sie keine.

Die Extremisten verstünden es, sich als Helden zu inszenieren, als Verteidiger des Islams und Kämpfer gegen den Westen. Sie missbrauchten die Sorgen, Wut und sozialen Missstände, die Jugendliche erfahren, erklärt Bakhit. Und sie machen Jugendlichen weis: Du kannst auch ein Held werden. «Ich will aber zeigen, dass Menschen wie bin Laden und al-Sarkawi keine Helden sind.» Doch es reiche nicht, einfach gegen diese Terroristen zu sein, meint der Jordanier. Man müsse jungen Menschen eine Alternative bieten.

Im Jahr 2009 kreierte Bakhit zusammen mit Zeichnern erste arabische Comic-Superhelden. Etwa den Agenten Element Zero, der Terroristen in Jordanien das Handwerk legt. Oder Princess Heart, die Heldin einer modernen Version von «Tausendundeine Nacht». In seinen Comics spricht er Themen an, die in arabischen Gesellschaften eine große Rolle spielen, etwa Ehre.

«Unsere Kultur basiert auf Ehre», erklärt er. Das nutzen auch Extremisten für ihre Propaganda. Aber: «In meinen Comics ist es ehrenhafter, für etwas zu leben als für etwas zu sterben.» Er habe 1,2 Millionen Ausgaben bis 2011 verkauft, sagt Bakhit. Den Superhelden Captain Zero entwickelte er zu einem beliebten Online-Spiel auf Facebook. Er wurde als Motivationsredner auf internationale Bühnen eingeladen und bekam ein Stipendium der globalen Wissensplattform und -konferenz TED.

Bakhit ist längst nicht der einzige in islamisch-geprägten Ländern, der die Wirksamkeit von Comics erkannt hat. In Pakistan spricht eine Zeichentrickserie ein zentrales und hoch politisches Thema an: die Bildung junger Mädchen. Dafür kämpft eine von Kopf bis Fuß in ein traditionelles Gewand gekleidete Heldin. Doch «The Burka Avenger» - «Die Burka-Rächerin» - wählt als Waffen Bücher und Stifte statt Pistolen und Messer. 

Die fliegende Heldin Qahera lehnt sich in Ägypten mit einem Schwert und viel Humor gegen Sexismus und Missbrauch auf. Die Comicstreifen, die eher an junge Erwachsene gerichtet sind, kritisieren auch das westliche Bild der unterdrückten muslimischen Frau. Und in Kuwait hat der Produzent Naif al-Mutawa die Comic-Serie «Die 99» geschaffen: 99 Helden, die auf den Attributen von Allah basieren. Wegen des religiösen Untertons war al-Mutawa auch Anfeindungen ausgesetzt.

Suleiman Bakhit musste auch Kritik und Rückschläge einstecken. Seine Firma ging inzwischen pleite, sein Graphic Novel mit dem Titel «Saladin 2050» wurde in Jordanien verboten. Und unbekannte Männer hätten ihn eines Abends mit Rasierklingen angegriffen, erzählt er. Mit einer großen Narbe quer über seinem linken Auge sieht er nun fast selbst wie ein Superheld aus.

Der Jordanier weiß, dass er mit seinen Comics im Kampf gegen den Extremismus nur einen kleinen Teil beitragen kann. Er glaubt aber an seine Vision, mit arabischen Comic-Helden Kinder und Jugendliche zum Umdenken zu bewegen. Mit seiner neuen Firma, «The Hero Factor» («Der Helden-Faktor»), schmiedet er bereits weitere Pläne: So will er Comics als Lehrbücher in jordanischen Schulen einführen. (dpa)

«Comics in der islamischen Welt» – ein Qantara-Dossier