Islamwissenschaftlerin Kaddor will Neuausrichtung der Islamverbände

Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor fordert eine Neuausrichtung der Islamverbände zur Bekämpfung des religiösen Fanatismus. «Was die Moscheegemeinden im Koranunterricht vertreten und lehren, reicht bei weitem nicht aus», sagte sie dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Freitag). Die Verbände müssten sich in ihrer Jugendarbeit viel stärker auf die Identitätsbildung junger Muslime konzentrieren: «Muslimisch sein und deutsch - wie geht das zusammen?»

Dafür gebe es aber keine Konzepte, kritisierte die Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes. Wenn sich Verbände wie die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) mit der zweisprachigen Freitagspredigt ihrer Rolle als Bollwerk gegen den Salafismus rühmten, sei das «bestenfalls ein Stück Selbstberuhigung».

Die deutsche Politik muss sich laut Kaddor viel intensiver mit den Zielen der Islamverbände beschäftigen. Ihre Verbindung zu den Herkunftsländern sei «kontraproduktiv». Die Organisationen müssten endlich einen Islam etablieren, der in Deutschland anschlussfähig sei und dessen Anhänger sich nicht permanent als fremd definierten. «Das Gefühl der Fremdheit ist ein entscheidender Ansatzpunkt für eine mögliche Radikalisierung.»

Kaddor bezweifelte, dass junge fanatisierte Muslime aus Deutschland sich vom Terrorkampf für den «Islamischen Staat» (IS) im Nahen Osten mit dem Argument abhalten ließen, dass sie dort als «Kanonenfutter» eingesetzt würden. Das Gegenteil sei der Fall: «Mit fortschreitender Radikalisierung halten diese jungen Männer einen solchen Tod sogar für besonders erstrebenswert. So zynisch das klingt: Sie gefallen sich in dieser Rolle.» Eine Aufklärung führe eher zu größerer Verbohrtheit und größerem Hass. In diese Szene abgerutschte Jugendliche zu erreichen und «umzupolen», sei nahezu unmöglich. (KNA)

Lamya Kaddor im Qantara-Interview