Islamwissenschaftler Michael Kiefer: Kommunen schlecht vorbereitet auf Syrien-Rückkehrer

Der Osnabrücker Islamwissenschaftler Michael Kiefer sieht die Kommunen in Deutschland nur unzureichend vorbereitet auf die steigende Zahl dschihadistischer Syrienrückkehrer. Unter den Sympathisanten und Kämpfern für die Terrormiliz «Islamischer Staat» sei auch eine nennenswerte Anzahl von Familien mit Kindern, für deren Begutachtung und Begleitung die Jugendämter und die Träger der sozialen Arbeit vor Ort bislang keine Expertise hätten, sagte Kiefer.

Die gesetzlichen Vorgaben, um notfalls die Kinder aus diesen Familien herauszunehmen, seien vorhanden. Auch gebe es für eine solche Inobhutnahme ein eingespieltes Prozedere von Behörden, Gerichten und Wohlfahrtsverbänden. «Das einzige, was nicht da ist, sind Fachkräfte, die sich mit dem neuen Phänomen auskennen», sagte der Präventionsexperte am Rande eines Symposiums von Polizei und Universität Osnabrück über Polizei und soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft.

Bei den Rückkehrern verdichteten sich mehrere Problemlagen, die für die Behörden neu seien, sagte der Dozent am Institut für Islamische Theologie. Sie hätten in einem Bürgerkriegsgebiet gelebt, teilweise an Kampfhandlungen teilgenommen und vielleicht getötet. «Sie sind möglicherweise hochtraumatisiert und zugleich extrem ideologisiert.»

Es sei dringend notwendig, das Personal jetzt entsprechend zu schulen. «Denn das Thema wird uns in den kommenden Monaten mehr und mehr beschäftigen.» Viele der einst aus Deutschland in den Kampf aufgebrochenen Männer und Frauen säßen noch in Syrien oder im Irak in den Gefängnissen. «Aber sie werden vermutlich zurückkommen.»

Die Bundesländer Niedersachsen und Bayern hatten Anfang Februar angekündigt zu prüfen, ob Kinder von Syrienrückkehrern besser geschützt werden müssten. Auch eine Herausnahme der Kinder aus den Familien sei denkbar. Die Präventionsstelle für Salafismus in Niedersachsen hat nach eigenen Angaben beobachtet, dass viele der bereits zurückgekehrten Kinder auffällig seien.

Es komme darauf an, Einzelpersonen und Familien möglichst von Anfang an sozialpsychologisch zu betreuen, forderte Kiefer. Denn neben der Strafverfolgung von Tätern gehe es auch um eine Resozialisierung. Wenn Familien nicht bereit seien, zu kooperieren, und ihre Kinder von der Gesellschaft abschotteten, könnte auch eine Inobhutnahme von Minderjährigen durch die Jugendämter infrage kommen.

«Das muss aber immer das letzte Mittel sein.» Eine Kindeswohlgefährdung sei nicht allein aufgrund einer Ideologie oder einer demokratiefeindlichen Haltung gegeben. «Man kann ja auch nicht jedem Rechtsextremen gleich seine Kinder wegnehmen.» (epd)