Islamverbände: 2014 war ein durchwachsenes Jahr

Salafisten und die Gräueltaten des sogenannten «Islamischen Staates» (IS) sind seit Monaten in den Schlagzeilen. Junge Leute schließen sich Salafistengruppen in Deutschland oder dem IS in Syrien an. Beides besorgt nicht nur Politiker und Sicherheitsbehörden, sondern auch viele Muslime. Je öfter Islam und Extremismus in einem Atemzug genannt werden, desto schlechter wirddas Image der Religion. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime mit Sitz in Köln, beklagt eine fehlende Trennschärfe zwischen Extremismus und Islam.

 Der Mangel an Unterscheidungsfähigkeit wird nach seiner Ansicht in der wachsenden Zahl islamfeindlicher Bewegungen deutlich. In Dresden folgten zuletzt 17.500 Menschen einem Demonstrationsaufruf der «Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes» (Pegida). Obwohl Politiker wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) betonten, dass keine Islamisierung drohe, gab es auch in anderen Städten Kundgebungen von «Pegida»-Ablegern. In Köln kam es im Oktober bei einer Demonstration von Hooligans gegen Salafisten zu Ausschreitungen.

 Mazyek zufolge muss die Politik auf die Ängste dieser Demonstranten eingehen und über die eigentlichen Ursachen für die Unzufriedenheit reden. «Wir islamisieren soziale Spannungen und ungelöste Probleme in unserem Land, lenken so ab und führen den Muslim als Sündenbock vor», kritisiert der Zentralrats-Vorsitzende. Für das kommende Jahr rechnet Mazyek mit einer weiteren Zuspitzung: «Ich fürchte, dass wir den Höhepunkt der Auseinandersetzungen noch nicht erreicht haben.»

Sorge bereitet Muslimen auch, dass 2014 wieder vielerorts Moscheen angegriffen wurden. Im Februar wurde die noch in Bau befindliche Kölner Zentralmoschee mehrfach beschädigt. Auch in Berlin, Bielefeld und andernorts wurden Brandsätze geschleudert oder islamfeindliche Schmierereien hinterlassen. Gegen die Gewalt radikaler Muslime und gleichzeitig gegen Islamfeindlichkeit wollte der Koordinationsrat der Muslime im September ein Zeichen setzen. Unter dem Motto «Muslime stehen auf gegen Hass und Unrecht» rief der Koordinationsrat zu Veranstaltungen auf. Ratssprecher Erol Pürlü sagt dazu: «Für mich war wichtig, dass wir als Muslime das veranstaltet haben und dass Repräsentanten aus Politik, Kirche und Synagoge uns dabei unterstützt haben.»

Doch aus Sicht der Muslime hat es im Jahr 2014 auch erfreuliche Entwicklungen gegeben. So wächst in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen die Zahl der Schulen, die islamischenReligionsunterricht anbieten. Außerdem kam der Dialog zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Koordinationsrat der Muslime nach Jahren des Stillstands wieder in Gang. Auch die Deutsche Islamkonferenz, die zuletzt von Muslimen als Sicherheitskonferenz kritisiert worden war, nahm wieder Fahrt auf.

Ein neuer Schwerpunkt der Islamkonferenz ist die Arbeit an einem muslimischen Wohlfahrtsverband. Dieser könnte neben der evangelischen Diakonie, der katholischen Caritas und anderen Verbänden Dienste fürMuslime anbieten. Dazu sei zunächst ein Überblick über die bereits vorhandenen sozialen Dienste von Moscheegemeinden nötig, sagt Pürlü. Diese auszuwerten und dann neue Strukturen zu schaffen, brauche jedoch Zeit.

Auf Fortschritte hoffen die Muslime auch bei der Anerkennung der Islam-Verbände. Nachdem in Bremen und Hamburg in den vergangenen Jahren Kooperationsverträge abgeschlossen wurden, sollen weitere Bundesländer folgen. In Niedersachsen steht die Unterzeichnung unmittelbar bevor. Auch in NRW könnte die Anerkennung der Mitgliedsverbände im Koordinationsrat als Religionsgemeinschaften bis Ende 2015 abgeschlossen sein, hofft Pürlü. Bislang vertritt beim Religionsunterricht noch ein Beirat anstelle der Islamverbände die Interessen der Muslime. «Wir sind zuversichtlich und warten auf die Ergebnisse», sagt Pürlü. (Andreas Gorzewski / epd)

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