Islamischer Theologe: Islam ist nicht demokratiefeindlich

Der Islam ist nach Auffassung des islamischen Theologen Mouhanad Khorchide (45) nicht grundsätzlich demokratiefeindlich.

Die Einstellung von Muslimen gegenüber dieser Staatsform hänge vom jeweiligen Selbstverständnis des Islam ab, sagte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster am Dienstagabend in Rom. Ein Islam, der sich zuerst als "spirituelle Religion" begreife und die ethische Dimension hervorhebe, sei mit der demokratischen Staatsform "selbstverständlich" vereinbar, sagte Khorchide.

Nur wer den Islam - so wie etwa die Salafisten - als Gesetzesreligion verstehe, die konkrete Vorschriften für alle Bereiche staatlichen Handelns vorschreibe, habe Schwierigkeiten mit der Demokratie, führte der islamische Theologe aus. Mit dem Koran lässt sich ein solches Verständnis, das eine Trennung zwischen Religion und Staat ablehnt, allerdings laut Khorchide nicht begründen.

Khorchide äußerte sich in einem Gespräch mit dem emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper in der Residenz der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl. Thema des Abends war "Barmherzigkeit im Christentum und im Islam". Khorchide bildet in Münster vor allem Lehrer für den Islam-Unterricht an staatlichen Schulen aus.

Der Professor für islamische Theologie verwies darauf, dass nur 82 der insgesamt mehr als 6.200 Verse des Korans juristische Aussagen zur Gesellschaftsordnung machten. Damit lasse sich kein Staat organisieren. Khorchide warb dafür, die Aussagen des Korans zur Gesellschaftsordnung in ihrem historischen Kontext zu lesen. Es gehe darum, eine gerechte Gesellschaft zu schaffen. Wie dies konkret erfolgen könne, müssten die jeweiligen Gesellschaften entscheiden. (KNA)