«Islamic Terror Shifts South»: Der lange Arm der Hisbollah in «Trumps Hinterhof» Südamerika

Bisher ist Südamerika in Sachen islamistischer Terrorismus praktisch eine weiße Landkarte. Aber jüngste Berichte lassen aufhorchen – es gibt Sorgen, dass von hier Terroristen in die USA einsickern könnten. So ist die Hisbollah stark präsent. Ein Land ist besonders im Fokus. Von Georg Ismar

Venezuela hat seit Anfang Januar einen neuen Vizepräsidenten, Tareck El-Aissami. Seine Vorfahren stammen aus Syrien und dem Libanon. Und nach allem was man bisher weiß, ist der 42-Jährige auch geschäftlich umtriebig. Nach Medienberichten wird in den USA gegen ihn wegen Drogenhandels und Geldwäsche ermittelt. Und: Er wird vor allem in den USA von Geheimdiensten und Denkfabriken immer wieder mit der islamistischen Szene in Verbindung gebracht.

Offizielle Anfragen an die Regierung bleiben unbeantwortet. Es ist bekannt, dass die Sozialisten vor allem zum Iran enge Verbindungen unterhalten. Dieser Faktor könnte aus Sicht von Experten bei einer erneuten Eskalation des US-iranischen Verhältnisses von Bedeutung sein. Denn US-Präsident Donald Trump könnte das von Barack Obama ausgehandelte Atomabkommen wieder kündigen und auf Sanktionen setzen. Trump hat Bürger des Iran bereits mit einem Einreiseverbot belegt.

Das Center for a Secure Free Society (SFS) aus Washington hatte schon 2014 in einer Studie ermittelt, dass in den letzten Jahren mindestens 173 Personen, die aus dem Mittleren Osten stammen, von Venezuela mit Papieren ausgestattet worden seien, um nach Nordamerika einzureisen.

In Südamerika leben Millionen Bürger mit syrischen und libanesischen Wurzeln. Schon seit über 30 Jahren ist die vom Iran unterstützte Terror-Organisation Hisbollah vor allem im Dreiländereck Paraguay, Argentinien, Brasilien sehr aktiv - hierzu gibt es zahlreiche Geheimdienstinformationen. «Die Hisbollah sammelt hier vor allem Geld über kriminelle Geschäfte wie den Drogenhandel und über Import-, Exportgeschichten», sagt Wolf Grabendorff, einer der führenden Sicherheitspolitikexperten für Lateinamerika. Hinweise auf konkrete Terrorplanungen gebe es aber bisher kaum. «Auch eine verstärkte IS-Präsenz ist bislang noch nicht festzustellen», so Grabendorff.

Das US-Southern-Command, verantwortlich für die Militär-Operationen in Lateinamerika, warnte zuletzt aber vor der Gefahr einer Infiltration von Terroristen in die USA. Wie das Magazin «Foreign Affairs» im Januar berichtete, schätze das SouthCom, dessen früherer Oberbefehlshaber Trumps neuer Heimatschutzminister John Kelly ist, dass 2015 zehn Prozent der 330.000 an der Südgrenze registrierten Migranten aus Ländern mit Terrorismusaktivitäten gekommen seien.

Eine Sorge: Länder wie Venezuela könnten sich zum Sammelpunkt für Terroristen entwickeln, die hierüber in die USA einsickern. Noch unter Obama wurde Venezuela als Gefahr für die nationale Sicherheit der USA eingestuft. Der Chef für internationale Beziehungen beim Simon-Wiesenthal-Center, Shimon Samuels, hält El-Aissami für eine Schlüsselfigur. «Er ist eng verbunden mit dem schiitischen Iran, der Terrororganisation Hisbollah und der Familie von Syriens Präsident Baschar al-Assad.» Konkrete Beweise hierfür gibt es aber bisher nicht.

Grabendorff, zurzeit Gast-Professor an der Universität Quito, sieht in den Warnungen und Berichten aus den USA, der Süden könnte über den Luft- und Landweg zu einer neuen Terrorismus-Schleuse in die USA werden, auch einen Vorwand, um Geheimdienstaktivitäten auszubauen.

Frei nach dem Motto: Wehret den Anfängen. So war nach dem Besuch von Präsident US-Barack Obama 2016 bei Argentiniens Staatschef Mauricio Macri eine intensivere Geheimdienst-Kooperation vereinbart worden. «Das wird meines Erachtens unter Trump noch intensiver werden, auch wenn er vor Wochen noch die eigenen Geheimdienste beschimpft hat.»

Bisher ist Südamerika eine fast weiße Landkarte, was islamistischen Terrorismus betrifft. Aber ein alarmierender Artikel im Magazin «Foreign Affairs» («Islamic Terror Shifts South») verweist auf den Fall eines Libanesen, der 2014 in Lima verhaftet wurde und in dessen Wohnung Chemikalien zum Bombenbau gefunden wurden. Ein Verdacht: Mögliche Anschlagspläne auf den UN-Klimagipfel Ende 2014 in Perus Hauptstadt. Mangelhafter Grenzschutz, und auf Terroraktivitäten nicht vorbereitete Geheimdienste sind sicher ein Schwachpunkt.

Und Hinweise mehren sich. Vor den Olympischen Spielen in Rio wurden mehrere Männer festgenommen, die sich angeblich zum Islamischen Staat (IS) bekannten und Anschlagspläne auf die Spiele diskutiert haben. Aber sie agierten amateurhaft, versuchten Waffen im Internet zu kaufen und tauschten sich über WhatsApp aus. Das bisher schlimmste, nie richtig aufgeklärte Attentat in Südamerika war der Anschlag auf ein jüdisches Zentrum in Buenos Aires 1994, 85 Menschen starben. Hier hinter wurden immer wieder der Iran und die Hisbollah vermutet.

Brasilien hat gerade angekündigt, dass die 17.000 Kilometer lange Grenze besser geschützt werden soll, auch weil scheinbar Waffen der Farc-Guerila aus Kolumbien über die Grenze im Amazonasgebiet im Land gelandet sind.

Spannend wird sein, welchen Weg Trump im Verhältnis zum sozialistischen Venezuela einschlagen wird. Zumal El-Aissami bald Präsident sein könnte. Er gilt als eingefleischter «Chavista», der hart gegen Gegner vorgeht. Schon mit 33 Jahren war er unter dem 2013 gestorbenen Hugo Chávez Innenminister.

Die Opposition will ein Referendum für die Abwahl von Präsident Nicolás Maduro, unter dem das Land mit den größten Ölreserven in eine dramatische Spirale aus Rekordinflation und Mangelwirtschaft abgerutscht ist. Laut Verfassung würde bei einer Abwahl bis zur nächsten Wahl 2019 der Vizepräsident regieren. Das wäre El-Aissami - den finden viele aber noch schlimmer. (dpa)