"Indonesische Lesekultur im Aufwind"

Feby Indirani war erfolgreiche TV-Journalistin. Jetzt arbeitet sie als Autorin - in einem Land, in dem kaum jemand Bücher liest. Monika Griebeler hat sich mit ihr über die Herausforderungen für Schriftsteller in Indonesien und den gesellschaftlichen Einfluss der Literatur in ihrem Land unterhalten.

Von Monika Griebeler

Vor zwei Jahren haben Sie Ihren Job als Journalistin bei einem renommierten TV-Sender gegen das unsichere Leben als Schriftstellerin eingetauscht. Wie oft haben Ihre Freunde und Familie Sie für verrückt erklärt?

Feby Indirani: Einige meiner Freunde haben meine Entscheidung durchaus angezweifelt und mich sicher auch für verrückt erklärt. Obwohl sie wussten, dass ich schon ein paar Bücher veröffentlicht hatte, waren sie perplex, dass ich meinen angesehenen Job aufgegeben habe. Du bist Redakteurin, hast deine eigene Fernsehsendung - warum all das aufgeben? Bist du sicher?

Aber gleichzeitig beneiden mich manche Freunde und Kollegen auch, denn sie hatten ebenfalls mit dem Gedanken gespielt, etwas anderes zu tun, aber letztlich nicht den Mut dazu.

Indonesien ist nicht als Land bekannt, in dem viele Bücher gelesen werden. Warum sind Sie trotzdem das Risiko eingegangen, Schriftstellerin zu werden?

Indirani: Es stimmt, obwohl viele Menschen lesen können - die Alphabetisierungsquote liegt bei 93 Prozent -, tun es nur wenige. Aber nach meiner Erfahrung lesen immer mehr Indonesier Bücher. Und immer mehr Jüngere wollen ihre eigenen Bücher veröffentlichen.

Ich habe schon als kleines Mädchen das Schreiben geliebt. Als ich 17 Jahre alt war, habe ich den zweiten Platz in einem Schreibwettbewerb gewonnen. Mein Text wurde in der Mädchenzeitschrift "Gadis" veröffentlicht. Daraufhin habe ich Briefe von Leserinnen in Aceh bekommen, was weit weg ist von meiner Heimatstadt Jakarta. Die Mädchen schrieben, dass sie mein Text bewegt hat und dass sie meine Probleme auch kennen.

Es hat mich überrascht und berührt, dass ich tatsächlich Leute erreichen kann, die ich nicht kenne, die an einem Ort leben, den ich noch nie besucht habe. Da habe ich gemerkt, wie mächtig Texte sein können.

Was ist das Schwierigste an einer Existenz als Schriftsteller in Indonesien?

Indirani: Es gibt zum Beispiel keine richtigen Literaturagenten, die einzelnen Schriftstellern wie mir bei Rechtsfragen helfen oder anderen Themen, wenn es darum geht, ein Buch zu veröffentlichen. Als Autorin muss ich also selbst mit den Verlegern verhandeln, ich muss meine Texte verkaufen, die Verträge genau lesen und mein Buch anschließend selbst bewerben. Das wird natürlich einfacher, wenn man einen gewissen Bekanntheitsgrad hat oder ein gutes Verhältnis zu den wichtigen Personen in einem Verlag.

Indonesierinnen lesen den Koran; Foto: picture-alliance/ZUMA Press
Lesegewohnheiten im Umbruch: Zwar dominiert in Indonesien noch immer der Konsum von islamischer Literatur sowie das Studium des Korans. Doch nach Ansicht von Autorinnen wie Indirani lesen – anders als früher - immer mehr Indonesier Bücher. Und immer mehr Jüngere wollen ihre eigenen Bücher veröffentlichen.

Wie Sie sind viele aufstrebende, aber auch etablierte Autoren in Indonesien Frauen. Woran liegt das?

Indirani: Das moderne Indonesien hat eine lange Tradition von klugen Frauen, die ihre Ideen sowohl in literarischen Werken wie in Sachbüchern verarbeiten. In den 1980er Jahren erlebte die Buchindustrie dann den Aufstieg von Frauen zu Bestsellerautorinnen, zum Beispiel NH Dini, Mira W und andere.

In den 1990er und frühen 2000er Jahren entstand dann eine neue Generation von Autorinnen. Schriftstellerinnen wie Ayu Utami, Helvy Tiana Rosa, Oka Rusmini, Dewi "Dee" Lestari oder Djenar Maesa Ayu wurden zu Idolen auf dem Buchmarkt. Sie sind Vorbilder für die jüngere Generation, die Medien lieben sie und Verlage können sich darauf verlassen, dass sie durch die Verkäufe ihrer Bücher gutes Geld verdienen.

Wo wir gerade von Geld sprechen: Sie leben in Jakarta, der teuersten Stadt Indonesiens. Wie kommen Sie finanziell über die Runden?

Indirani: Ich verdiene eigentlich ganz ordentlich, indem ich zusätzlich Memoiren und Biografien für andere schreibe. Nicht als Ghostwriter, sondern unter meinem eigenen Namen. Die meisten meiner Kunden sind nicht berühmt, aber auch sie wollen ihre Lebensgeschichte erzählen. Ich sehe das als kreative Herausforderung: Wenn mein Kunde nun mal nicht die hochdramatische Lebensgeschichte hat, über die ich schreiben könnte, dann reichere ich sie mit gesellschaftspolitischem Kontext an. Wenn die Kunden mir Gold geben, perfekt, dann machen ich daraus ein Schmuckstück. Wenn Sie mir nur Papier geben, auch OK, dann mache ich daraus eben Origami-Kunst.

Außerdem schreibe ich PR-Texte und Texte für Werbebeilagen von Zeitungen. Als frühere Fernsehmoderatorin werde ich auch regelmäßig angefragt, Diskussionen oder Buchveröffentlichungen zu moderieren. Und ich veranstalte regelmäßig kurze Schreibworkshops. So bekomme ich eigentlich eine ganz schöne Balance hin zwischen dem, was ich liebe, und einem vernünftigen Einkommen.

Über was schreiben Sie denn am liebsten?

Indirani: Ich schreibe Kurzgeschichten und Romane, vor allem über Frauenthemen und soziale Probleme aus weiblicher Sicht. Außerdem verfasse ich Essays über Frauen im Islam, über Themen wie Bekleidungsvorschriften, Polygamie, Frauen in Führungspositionen.

Was braucht ein Buch, um die indonesischen Leser zu begeistern?

Indirani: Im Moment gibt es keine eindeutigen Faktoren, die ein Buch erfolgreich machen. Ein unbekannter junger Autor könnte gewissen Erfolg haben, nur weil sie oder er einen gut laufenden Twitter-Account betreibt, in dem sie oder er über alltägliche Liebesprobleme schreibt.

Manche Verlage folgen der einfachen Bestseller-Formel: Hauptsache, ein prominenter Name steht auf dem Cover. Solche Bücher entstehen mit Hilfe von Ghostwritern oder Co-Autoren und werden dann mit massiven Werbekampagnen auf den Markt geworfen. Gleichzeitig gibt es aber auch Bücher, die sowohl Erfolg haben als auch intellektuellen Tiefgang, etwa die Werke von Ayu Utami, Seno Gumira Ajidarma oder Eka Kurniawan.

Im Oktober ist Indonesien Gastland der Frankfurter Buchmesse. Sie gehören zum Presseteam des Nationalen Komitees. Wie kann indonesische Literatur ausländische Leser ansprechen, wo sie es doch im Land selbst schon so schwer hat?

Indirani: Indonesische Literatur hat schon viel zu bieten. Die moderne indonesische Literatur seit dem frühen 20. Jahrhundert hat eine stark intellektuell geprägte Tradition, die sich mit vielem aus der Welt der Ideen befasst. Aber das Problem ist, dass sie in der Welt nicht bekannt ist. Wir hoffen, dass die Buchmesse uns die Möglichkeit gibt, die internationale Kulturszene auf uns aufmerksam zu machen.

Das Interview führte Monika Griebeler.

© Deutsche Welle 2015

Die indonesische Schriftstellerin Feby Indirani hat mehrere Sachbücher und Romane veröffentlicht. Bis 2013 arbeitete Indirani als Journalistin in verschiedenen Medienhäusern und hatte ihre eigene Fernsehsendung.