''Ich kämpfe für unsere Rechte''

Arsham Parsi ist ein iranischer Menschenrechtsaktivist, der sich für die Rechte von Lesben, Schwulen und Transsexuellen einsetzt. Wegen seines Engagements wurde er bereits mehrfach mit dem Tode bedroht. Mit ihm sprach Ceyda Nurtsch.

Von Ceyda Nurtsch

Sie begannen Ihren Kampf für die Rechte iranischer LSBTs (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle) mit einem geheimen Chatroom vor mehr als zehn Jahren. Heute leben Sie im Exil in Kanada. Wie hat sich die Situation für LSBTs im Iran seitdem verändert?

Arsham Parsi: Letztes Jahr hatten wir unsere neunte Celebration of Voice-Feier in Kayseri in der Türkei, an der ungefähr 50 Menschen teilnahmen. Obwohl wir unsere Feier Voice Celebration nannten, hat keiner der 50 anwesenden Gäste bei der Veranstaltung im letzen Jahr gesprochen. Alle hatten Angst, über ihre Situation zu sprechen. Wir begingen unsere Feier also in Stille.

Dennoch sprechen heute viele Menschen über die iranischen LSBTs. Ich erinnere mich, dass ich vor zehn Jahren "schwul" und "Iraner" googelte und gerade einmal drei Seiten existierten. Heute gibt es über zwei Millionen Seiten. Das ist ein großer Sieg für uns.

Solidaritätskundgebung für Homosexuelle im Iran; Foto: DW
Solidarität mit Irans Schwulen und Lesben: In der Islamischen Republik drohen Homosexuellen drakonische Strafen bis hin zur Hinrichtung.

​​Es ist gut, dass das, was einmal als virtueller Chatroom begonnen hat, heute Realität ist. Im kommenden September möchten wir eine noch größere Feier in Form eines Kulturfestivals in Toronto organisieren. Wir haben mit nichts angefangen und sind sehr weit gekommen.

…was auch daher kommt, dass Sie sich außerhalb des Irans befinden und für die LSBTs im Iran sprechen können. Wie hat sich die Situation im Land verändert?

Parsi: Ich erinnere mich, dass es vor zehn Jahren sehr schwer war, im Iran schwul zu sein und dies von vielen Familien nicht akzeptiert werden konnte. Heute habe ich Kontakt zu vielen Familien, die über die sexuelle Neigung ihrer Kinder Bescheid wissen. Mein Lieblingsanruf kam von einer iranischen Mutter: Ein Freund ihres Sohnes hatte ihr erzählt, dass ihr Sohn homosexuell ist. Sie fragte mich, wie sie reagieren sollte, um ihn nicht zu verletzen. Sie wollte ihn verstehen. Sie hätte auch einen großen Streit beginnen und ihr Sohn hätte sich umbringen können. Doch stattdessen wollte sie sich informieren und das ist ein gewaltiger Schritt.

Der Grund, weshalb unsere Nichtregierungs-Organisation Iranian Railroad for Queer Refugees (IRQR) derzeit nur in Toronto existiert, hängt damit zusammen, dass wir uns nicht in Teheran registrieren lassen konnten. Es war mein Traum, uns in der Türkei anzumelden, denn dann würde es Iranern leichter fallen herzukommen und wir könnten die Menschen persönlich unterstützen. Aber in der Türkei haben LSBTs ihre eigenen Probleme und für uns gab es quasi keinen Raum.

Wir sind eine Organisation im Exil, aber unser Zielland ist der Iran. Wir hoffen, dass durch unsere Arbeit Iraner motiviert werden, in ihrem Land über Homosexualität zu sprechen oder homosexuelle Familienangehörige zu informieren.

Es besteht der Eindruck, dass sich die Situation unter Präsident Ahmadinedschad verschlechtert hat. 2007 gelangte er Medienberichten zufolge zu der Ansicht, es gebe überhaupt keine Homosexuellen im Iran.

Parsi: Während der Präsidentschaft von Mohammed Khatami oder bereits unter Rafsandschani war die Situation genauso schlecht. Unsere Organisation hat ihre Arbeit 2004 begonnen, etwa zur selben Zeit wurde Ahmadinedschad Präsident. Aber die Situation war von Anfang an schwierig. Nach dem islamischen Strafrecht erhalten Männer, die beim "French kissing" erwischt werden, 66 Peitschenhiebe. Wenn zwei Gleichgeschlechtliche nackt unter derselben Decke liegen – egal, ob sie Sex haben oder nicht – bekommen 66 Peitschenhiebe.

Seitdem die Hinrichtung von zwei Homosexuellen in der iranischen Stadt Maschad im Juli 2005 in den Medien über die Grenzen hinweg für Schlagzeilen sorgte, scheint das Regime vorsichtiger im Umgang mit Strafen gegen Homosexuelle vorzugehen.

Parsi: Die iranische Regierung setzt seit diesem Vorfall auf taktische Manöver. Sie nimmt Menschen gefangen, bestraft sie zum Beispiel mit 100 Peitschenhieben, aber erwähnt dann nicht explizit, dass es sich um eine homosexuelle Person handelt. Stattdessen gibt sie Gründe an wie Alkoholgenuss, Handlungen gegen die nationale Sicherheit oder unmoralisches Verhalten. Aber was ist unmoralisches Verhalten überhaupt?

Manchmal führt die Justiz auch unglaubwürdige Fälle von Vergewaltigungen unter Männern an. Wir wissen nicht, wie viele Menschen hingerichtet worden sind. Wir wissen auch nicht, wie viele Menschen zu Tode verurteilt wurden. Aber es ist eine Tatsache, dass dieses Gesetz angewendet wird.

Irans Präsident Ahmadinedschad; Foto: dpa
Weltfremd statt weltgewandt: Präsident Mahmud Ahmadinedschad sorgte international unter anderem mit der Behauptung für Empörung, im Iran gebe es keine Homosexuellen.

​​Der Iran hat ein Image-Problem, weil er die Rolle des Paten für alle muslimischen Länder spielen will. Die iranische Führung hatte schon immer Interesse daran, nach außen hin das Image einer demokratischen Regierung zu verkörpern, das sich allein gegen westliche Ideen richtet – besonders zur Zeit Khomeinis. Khamenei, der Oberste Führer, sprach immer vom Feind der Homosexualität, das in seinen Augen aus dem Westen kommt und daher im Iran nicht existiert.

Fühlen Sie sich von internationalen Hilfsorganisationen nur ungenügend wahrgenommen, ja im Stich gelassen?

Parsi: Ahmed Schahid, der als besonderer Berichterstatter der UN im Iran gewählt wurde, veröffentlichte zwei Berichte zur Verletzung der Menschenrechte im Iran. In diesen Berichten erwähnte er die "Grüne Protestbewegung" von 2009, die Frauen- und Studentenrechte, doch er erwähnte nicht die Homosexuellen – und das, obwohl wir ihm zahlreiche Informationen in sein Büro in Genf gebracht haben.

Ich hoffe jedenfalls, dass diese Missstände zumindest jetzt in einem dritten Bericht veröffentlicht werden. Auch "Amnesty International" veröffentlicht einen Jahresbericht, in dem Homosexualität gerade einmal in zwei Paragraphen behandelt wird.

Dennoch scheinen Sie ziemlich optimistisch zu sein hinsichtlich der Situation der LSBTs im Iran.

Parsi: Ich bin sehr optimistisch. Denn ich glaube an die Macht der Menschen. Es gibt ein persisches Sprichwort, dass du alles machen kannst was du möchtest, wenn du dich nur dazu entscheidest. Und ich habe mich dafür entschieden, eine Veränderung im Iran herbeizuführen und Homosexualität zu entkriminalisieren. Homosexuellen-Rechte und Queer-Rechte sind Menschenrechte und ich werde für diese Rechte eintreten. Rechte werden nicht einfach gegeben. Man muss für sie kämpfen. Und ich kämpfe.

Interview: Ceyda Nurtsch

© Qantara.de 2013

Arsham Parsi ist der Gründer der "Iranian Railroad for Queer Refuges" (IRQR) mit Sitz in Toronto und repräsentiert Iran bei der "International Lesbian and Gay Association" (ILGA). Ferner ist er Botschafter des Iran beim "International Lesbian and Gay Cultural Network" (ILGCN) sowie Mitglied des Beratungsausschusses der Hirschfeld Eddy Stiftung.

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de