Interreligiöser Dialog muss laut Experten näher am Alltag sein

Der interreligiöse Dialog muss aus Expertensicht stärker im Alltag verankert werden. «Man muss lokal handeln», sagte der evangelische Theologe Bertold Klappert am Freitag auf einer Tagung in Bonn. Nötig seien Begegnungen zwischen «normalen» Christen, Muslimen und Juden, sagte der Islamwissenschaftler Muhammad Sameer Murtaza.

Die Beteiligten könnten erkennen, «wie nah wir einander sind». Jörgen Klußmann, Studienleiter an der Evangelischen Akademie im Rheinland, sagte: «Der Dialog war immer sehr theorie- und theologielastig.» In der Debatte über das friedliche Miteinander von Religionen pochten die Fachleute allgemein auf mehr Respekt und Differenzierung.

«Lassen Sie uns differenzieren zwischen Religion und Realisierungen von Religion», riet Murtaza, Mitarbeiter der Stiftung Weltethos. Er warb für mehr Vertrauen, ohne das kein Dialog gelinge. Empathie ermögliche es, die Sichtweise anderer Menschen zu verstehen. Klußmann sagte, der Islam sei «genauso wenig beziehungsweise genauso viel gewaltverherrlichend» wie andere monotheistische Religionen auch. Klappert erinnerte an die christlichen Kreuzzüge und betonte: «Jesus war gewaltlos aktiv.»

Klußmann sagte, dass Muslime, Christen und Juden die «Vorstellung von einem barmherzigen und friedliebenden Gott» eine. Die jeweiligen «Friedenspotenziale» der drei Religionen seien groß. «Nutzen wir sie.» Angesichts der islamistischen Terroranschläge in Paris und an anderen Orten weltweit sei interreligiöser Dialog «brandaktuell». «Die Religion wurde missbraucht.» Laut Murtaza waren die meisten Muslime von den Attentaten in der französischen Hauptstadt «schockiert».

Armin Langer, Koordinator der jüdisch-muslimischen Salaam-Schalom Initiative in Berlin, hob die Bedeutung des interreligiösen Gesprächs hervor - «unter der Voraussetzung, dass er zum interreligiösen Aktivismus führt».

Um das Miteinander und das Verständnis zwischen Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften zu stärken, sei etwa ein «übergreifender Religionsunterricht» denkbar, sagte Markus Weingardt von der Stiftung Weltethos. Murtaza sprach sich für professionelle Jugendarbeit in den Moscheen aus. Generell müssten sich Christentum, Judentum und Islam auf ihre gemeinsamen Wurzeln besinnen, forderte Klußmann. «Wir brauchen eine neue Bewegung für den Frieden.» Die Kirchen und Religionsgemeinschaften müssten die Friedensthematik weit oben auf ihrer Agenda haben, sagte Weingardt.

Die Evangelische Akademie im Rheinland hatte gemeinsam mit der Stiftung Weltethos zu der Tagung eingeladen. «Wir wollen mit diesem interreligiösen Studientag deutlich machen, dass allen drei Religionen das Primat eines gerechten, friedlichen und toleranten Miteinanders innewohnt», heißt es in der Einladung. Dort wird zugleich auf «radikale jüdische Siedler in Israel, christliche Fundamentalisten in den USA und islamische Gotteskrieger in Syrien und dem Irak» hingewiesen. (KNA)

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