Innenressort will Einfluss der Türkei auf Muslime in Deutschland verringern

Das Bundesinnenministerium will den Einfluss der Türkei auf in Deutschland lebende Muslime vor allem mit türkischen Wurzeln zurückdrängen. Diese Muslime sollten stattdessen "eigene, ihrem Lebensgefühl in Deutschland entsprechende Kriterien erarbeiten und entsprechendes Religionspersonal ausbilden", sagte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber, dem Berliner "Tagesspiegel" vom Montag. Wenn dies zu Konflikten mit der Regierung in Ankara führe, dann "werden wir das aushalten".

Ziel sei es, "ganz grundsätzlich die Einflussnahme vor allem staatlicher oder politischer Kräfte von außen auf Muslime in Deutschland einzudämmen", sagte Kerber weiter. Er bezog sich dabei aber ausdrücklich besonders auf die türkische Religionsbehörde Diyanet. Diese Behörde, die direkt dem Religionsministerium der türkischen Regierung untersteht, entsendet in der Regel aus der Türkei die Imame für die Moscheen des deutsch-türkischen Moscheeverbandes Ditib. Diese werden auch vom türkischen Staat bezahlt.

Kritiker werfen Ditib daher vor, der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland zu sein.

"Wir haben viel zu lange dabei zugesehen, wie Kräfte aus dem Ausland den deutschen Muslimen vorschreiben, wie sie ihre Religion zu leben haben", sagte dazu Kerber. Die mittlerweile rund fünf Millionen Muslime in Deutschland sollten selbst "über einen deutschen Islam und dessen Prägung befinden". Der Staat solle sich da zurückhalten, jedoch den Muslimen "bei der Selbstorganisation helfen". Innenminister Horst Seehofer (CSU) werde daher "die deutschen Muslime offensiv ermuntern, die Debatte über einen deutschen Islam zu führen".

Bereits vergangene Woche hatte das Bundesinnenministerium mitgeteilt, Ditib-Projekte sollten vom Bund nicht mehr gefördert werden. Demnach wurden vom Bund schon seit 2017 keine neuen Anträge auf Förderung von Projekten mehr bewilligt, die in der alleinigen Trägerschaft von Ditib lagen. Die Zusammenarbeit mit den Moscheegemeinden in Deutschland ist allerdings in erster Linie Sache der Bundesländer. Lediglich etwa bei der Förderung bestimmter Projekte ist auch der Bund beteiligt.

Offiziell ist Ditib, in dessen Trägerschaft die meisten türkisch geprägten Moscheen hierzulande arbeiten, eine unabhängige deutsche Organisation. Dem Dachverband gehören rund 900 Moscheevereine an. Zu deren Angebot gehört auch der Koranunterricht, der wiederholt Anlass für Kontroversen war. Im vergangenen Jahr waren Ditib-Imame in Deutschland beschuldigt worden, im Auftrag von Diyanet Informationen über Regierungsgegner an die türkischen Konsulate geliefert zu haben. Der Moscheeverband hatte dies zurückgewiesen. (AFP)