«Immer bunter»: Berliner Ausstellung beleuchtet «Einwanderungsland Deutschland»

Nach der jüngsten Flüchtlingswelle ist die Bundesrepublik erneut als Einwanderungsland herausgefordert. Eine Berliner Ausstellung zeigt, wie es die Deutschen in den vergangenen Jahrzehnten mit der «Willkommenskultur» hielten. Von Inge Pett

«Ausländerkinder brauchen Hilfe bei deutschen Hausaufgaben» wirbt ein Plakat. Es ist kein aktueller Aufruf. Stattdessen handelt es sich um eine Aktion vom Anfang der 1970er Jahre. Caritas, Diakonie und Arbeiterwohlfahrt baten um Unterstützung bei der Förderung von Kindern der «Gastarbeiter».

Das Poster ist eines von rund 800 Exponaten einer neuen Ausstellung über das «Einwanderungsland Deutschland». Unter dem Titel «Immer bunter» informiert die Schau im Deutschen Historischen Museum (DHM) bis zum 16. Oktober über die Zuwanderungswellen seit den 1950er Jahren. Nach den «Gastarbeitern» waren es vor allem die deutschstämmigen Spätaussiedler aus dem Osten Europas. Das DHM ergänzte die bereits im Bonner Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland präsentierte Schau durch die aktuelle Aufnahme der Flüchtlinge.

Davon zeugt die Skulptur «Santa Cecilia dei Morti in Mare». Der italienische Künstler Giaciomo Sferlazzo fügte sie aus gestrandeten Wrackteilen und Musikkassetten zusammen. Das Werk erinnert an die zahlreichen Flüchtlinge, die beim Versuch, das Mittelmeer in Richtung Europa zu überqueren, gestrandet sind - und mit der Musik vielleicht noch einen Moment der Ablenkung genossen hatten, bevor das Schicksal seinen Lauf nahm.

«Das Thema ist aktueller denn je», betont Ulrike Kretzschmar, stellvertretende Präsidentin der DHM-Stiftung. Drei Filme, in denen Männer aus dem Irak und Syrien von ihrer Flucht und der Ankunft in Deutschland berichten, unterstreichen die Aktualität. Sie geben «den Geflüchteten» ein Gesicht, verkörpern Einzelschicksale.

Frühere Einwanderungswellen werden unter anderem durch weihnachtliche Objekte illustriert. Sie stehen für eine kulturelle Annäherung von «Gastarbeitern» - viele von ihnen aus der Türkei und Südeuropa – und Deutschen. Dabei entstand oft Neues wie ein Ramadankalender, angelehnt an die christliche Tradition des Adventskalenders.

Der VW-Betriebsrat hatte 1982 demonstrativ sowohl deutsche wie auch italienische Arbeitskollegen zu einer Weihnachtsfeier eingeladen. Als Weihnachtsmann verkleidete sich damals der Italiener Lorenzo Annese, der nun anlässlich der Ausstellungseröffnung eigens nach Berlin reiste und seine Nikolausmütze im Museum besichtigen konnte.

In einem Raum der Ausstellung laufen Filme. Es sind unter anderem «Katzelmacher» von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1969 und «Maria, ihm schmeckt es nicht» von Neele Vollmar aus dem Jahr 2009. Teils ernst, teils ironisch zeigen sie die Schwierigkeiten und Grenzen der Assimilation sowie die Ausbildung von Parallelwelten.

Inzwischen hat jeder fünfte Deutsche familiäre Wurzeln im Ausland. Während zahlreiche Deutsche diese Vielfalt als Bereicherung empfinden, befürchten andere eine Überfremdung und den «Verlust der Identität». Staat und Gesellschaft müssen sich fortwährend über die gemeinsamen Grundlagen und Regeln des Zusammenlebens verständigen, heißt es im Ausstellungstext. Daher endet die Schau auch mit offenen Fragen: «Aber was geschieht, wenn in der Gesellschaft verschiedene Werte und Rechte gegeneinander stehen? Wie viele kulturelle und soziale Unterschiede hält unsere Gemeinschaft aus?» (KNA)

Hier geht's zur Ausstellung «Immer bunter»