Horrornacht in Dhaka: Neue Dimension des Terrors in Bangladesch

Bangladesch leidet schon seit Jahren unter brutalen Anschlägen. Die jüngste Eskalation löst weltweit Entsetzen aus. Doch die Regierung in Dhaka tut nur, was sie in solchen Fällen immer schon getan hat. Von Stefan Mauer

Die Täter kamen am Abend, bewaffnet mit Gewehren, Sprengkörpern und Macheten. In den rund zehn Stunden, die sie das idyllisch gelegene Restaurant «Holey Artisan Bakery» in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka danach besetzt hielten, richteten sie ein Blutbad an.

Am Morgen stürmten Polizei und Militär schließlich das bei Ausländern beliebte Lokal. Die schreckliche Bilanz am Ende: Neben sechs der sieben Terroristen waren 20 der Geiseln und zwei Polizisten tot. Mindestens 18 der Opfer waren Ausländer, die meisten kamen aus Italien und Japan.

Der Angriff löste einen weltweiten Aufschrei aus. Papst Franziskus sprach von einem gegen Gott und die Menschheit gerichteten barbarischen Akt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die blutige Attacke ebenso wie die Regierungschefs Italiens und Japans, Matteo Renzi und Shinzo Abe. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zeigten sich entsetzt.

Wohl noch nie ist der Welt das Terrorproblem Bangladeschs so bewusst geworden wie nach diesem Wochenende. Die überwiegend muslimische Volksrepublik mit rund 160 Millionen Einwohnern leidet bereits seit Anfang 2013 unter einer Serie religiös inspirierter Morde - meist mit äußerster Brutalität ausgeführt.

Doch mit dem Anschlag vom Wochenende hat der Terror eine neue Dimension erreicht. Keine der bisherigen Attacken war so koordiniert, so blutig und kostete so viele Menschen das Leben. Bisher waren die Opfer in der Regel einzelne säkulare Blogger, Religionskritiker oder Angehörige religiöser Minderheiten. Nun richtete sich der Angriff gegen ein gut besuchtes Restaurant, das ein beliebter Treffpunkt für Ausländer in Dhaka war. Augenzeugen zufolge hatten es die Täter vor allem auf ausländische Staatsbürger abgesehen.

Doch bisher tut die Regierung in Dhaka nur, was sie zuvor auch immer getan hat. Am Sonntag bestritt die Polizeiführung in Dhaka jegliche Verbindung der insgesamt sieben Täter mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und machte stattdessen lokale Extremisten für die Angriffe verantwortlich. Fünf der Angreifer hätten bereits vor dem Anschlag als mutmaßliche Militante auf der Fahndungsliste der Polizei gestanden.

Dagegen hatte die als gewöhnlich gut informiert geltende US-Terrorbeobachtungsstelle Site noch in der Nacht zum Samstag  gemeldet, der IS habe sich zu dem Anschlag bekannt.

Das Verhalten der Regierung hat System. Immer häufiger wurden in den vergangenen Monaten die Attacken auf Einzelpersonen - und immer wieder sagte die politische Führung des Landes, lokale Militante seien dafür verantwortlich, angestachelt durch die Opposition. Auch die Tatsache, dass der IS und Al-Qaida für die meisten der Attacken die Verantwortung übernahmen, änderte nichts an dieser Strategie.

Erst vor zwei Wochen ging ein umstrittener Großeinsatz der Polizei gegen Islamisten im ganzen Land zu Ende, bei dem mehr als 12.000 Menschen festgenommen wurden. «Die Behörden sind gegen die üblichen Verdächtigen vorgegangen, anstatt fokussiert zu ermitteln», kommentierte Brad Adams, Asienchef von Human Rights Watch, die Aktion. «Das vermittelt wenig Vertrauen, dass die Morde aufhören.» Was den jüngsten und bisher größten Anschlag angeht, sollte er Recht behalten.

Am Sonntag begannen die Ermittler in Bangladesch nach Angaben der Behörden mit der Aufklärungsarbeit. Seit dem frühen Morgen durchkämmte die Spurensicherung die inzwischen völlig abgeschirmte «Holey Artisan Bakery». Was auch immer sie über die Täter herausfinden wird: Dieses Mal wird die Welt wahrscheinlich genauer hinschauen. (dpa)