Hintergrund: Warum das Atomabkommen mit dem Iran überleben könnte

Die US-Sanktionen werfen den Iran wirtschaftlich zurück und stürzen ausländische Firmen in ein Dilemma: Sie müssen künftig wohl entscheiden, ob sie Geschäfte mit dem Iran machen oder mit den USA. Damit wankt ein Grundpfeiler des Atomabkommens. Die ökonomischen Vorteile, die die Vertragspartner dem Iran 2015 im Gegenzug für die Abkehr von seinem Atomprogramm versprochen hatten, stehen infrage. Dennoch gibt es für den Iran wie für die übrigen Unterzeichner handfeste Gründe, auch nach dem Ausstieg der USA an der Vereinbarung festzuhalten. Entscheidend könnten die Erdölexporte sein, von denen Irans Wirtschaft abhängig ist.

Knapp vier Millionen Fass (je 159 Liter) Erdöl fördert der Iran derzeit pro Tag. Damit hat das Land in etwa wieder das Niveau vor den Sanktionen erreicht. Hier will die Regierung in Washington nach Angaben aus US-Kreisen den Hebel ansetzen: Sie soll Verbündete und andere Staaten aufgefordert haben, die Öl-Einfuhren aus dem Iran bis November zu stoppen. Die Türkei hat dem eine Absage erteilt: Die US-Entscheidung sei nicht bindend. Anders sähe es aus, falls die UN-Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft träten, die unmittelbar für alle Staaten Geltung entfalten. Dies würde geschehen, falls das Atomabkommen völlig zusammenbricht.

"Die Frage des Erdölexports ist für den Iran entscheidend", sagt Manfred Tilz von Germany Trade & Invest (GTAI), der Außenwirtschaftsgesellschaft Deutschlands. "Das hat letztendlich die Devisen gebracht, die würden dem Land dann wieder fehlen." Die hohen Wachstumsraten nach der Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran waren vor allem dem Ausbau der Ölförderung geschuldet. Viele andere Geschäfte scheiterten dagegen schon bisher an den weiter geltenden US-Finanzsanktionen, die europäische Banken vor einer Finanzierung von Projekten im Iran zurückschrecken ließen.

"SNAP-BACK-MECHANISMUS" FÜR UN-SANKTIONEN

Grundsätzlich kann das Atomabkommen auf zwei Arten zu Fall kommen: Einer der Unterzeichnerstaaten könnte beim UN-Sicherheitsrat einen erheblichen Verstoß des Iran gegen die Vereinbarung anzeigen. Um das Abkommen in diesem Fall weiter am Leben zu erhalten, müsste der Sicherheitsrat binnen eines Monats erneut eine Resolution zur weiteren Aussetzung der Sanktionen beschließen. Kann sich das Gremium darauf nicht einigen - etwa, weil der Antragsteller als Sicherheitsratsmitglied ein Veto-Recht hat - greift ein sogenannter Snap-Back-Mechanismus und die UN-Strafmaßnahmen treten automatisch wieder in Kraft.

Auf diese Art und Weise hätte US-Präsident Donald Trump das Abkommen direkt zum Kollaps bringen können. Stattdessen kündigte er die Reaktivierung aller einseitigen Sanktionen gegen den Iran an. Möglicherweise fehlten Trump die Argumente für eine Anzeige beim Sicherheitsrat: Die Internationale Atomenergiebehörde IAEO betonte zuletzt mehrfach, dass die Regierung in Teheran allen Verpflichtungen aus dem Atomabkommen nachkomme. Solange die Vereinbarung gilt, laufen die Inspektionen im Iran weiter und das Atomprogramm bleibt einhegt, was auch das Risiko einer militärischen Auseinandersetzung in der Region dämpfen dürfte.

Sollte der Iran jedoch seine Drohungen wahr machen und nach dem Ausstieg der USA die Urananreicherung wieder hochfahren, würde auch dies den "Snap-Back-Mechanismus" im Sicherheitsrat auslösen. Ob sich der Iran für dieses Vorgehen entscheidet, dürfte am Ende allerdings nicht allein von wirtschaftlichen Erwägungen abhängen. Als entscheidender Faktor könnte sich der Machtkampf zwischen dem gemäßigten Flügel um Präsident Hassan Rohani und den Hardlinern um Ajatollah Ali Khamenei erweisen. (Reuters)