Hinter dem Schleier: Libanesische Kino-Komödie "Liebe Halal"

Wie gehen eigentlich Muslime im Alltag mit den Moralvorschriften ihrer Religion um? Nicht immer ganz regelkonform - jedenfalls wenn man der augenzwinkernden Komödie "Liebe Halal" (ab 7. Juli im Kino) Glauben schenkt.

Vom Leben im Islam glauben wir vieles zu kennen - auch vom Liebesleben. Vielen kommen dabei aber vermutlich zuerst Zwangsheirat, Vielfachehe, patriarchalisch definierte Ehrbegriffe und ähnlich problematische Aspekte in den Sinn. Dass Muslime aber auch Liebe, Zuneigung, Begehren und Eifersucht empfinden wie andere Menschen überall auf der Welt, geht dabei oft verloren.

Die libanesische Komödie "Liebe Halal" (ab 7. Juli im Kino) ist deswegen so besonders, weil sie von den ganz normalen Tricks und Kniffen handelt, mit denen Muslime das Auf und Ab ihres Liebeslebens mit den Moralvorstellungen der Gesellschaft und den neugierig-abschätzigen Blicken der Nachbarschaft in Einklang bringen.

In der Komödie von Assad Fouladkar wird ausgesprochen viel über Sex gesprochen. "Sex in Beirut" wäre allerdings eine verkürzende Inhaltsangabe. Denn die Familienmutter Awatef besorgt ihrem Mann nur deshalb eine Zweitfrau, weil sie für dessen allnächtliche Avancen viel zu müde ist. Der streitsüchtige Mokhtar lässt sich zum dritten Mal von seiner Ehefrau Batoul scheiden, bereut dies aber sogleich wieder. Die Modedesignerin Loubna führt mit dem Gemüsehändler Abou Ahmad eine Ehe auf Zeit, kann sich mit ihm aber nur an Orten treffen, wo sie nicht erkannt werden.

Ein Mikrokosmos durchschnittlicher Menschen in einem unspektakulären, homogen muslimisch bewohnten Viertel. Mit Absicht hat Fouladkar sich dieses Viertel als Drehort ausgesucht und nicht das multikulturelle Beirut oder das Beirut, das unter Kriegsfolgen und Flüchtlingsströmen leidet. Hier sind die Wohnungen groß; die Menschen flanieren über eine großzügige Promenade am Mittelmeer.

Der Panoramablick zeigt die abendliche Stadt in warmen Farben. Keine bessere Welt, aber ein Ort, der nicht aus den Fugen geraten ist: ein urbanes Umfeld mit einem strengen Moralbegriff, in dem die Protagonisten alle möglichen Tricks anwenden müssen, um ihr sexuelles Begehren ausleben zu können, ohne den guten Ruf in der Nachbarschaft zu verlieren.

Und während der Zuschauer dabei lernt, dass das Liebesleben in Beirut genauso konfus ist wie überall auf der Welt, fühlt er sich an die Bundesrepublik Deutschland in den 1960er Jahren erinnert, etwa an Kuppelparagrafen und Hotelportiers, die unverheiratete Paare nicht zu zweit in einem Zimmer übernachten lassen durften.

Vielleicht ist bisweilen etwas viel Augenzwinkern dabei. Man merkt, dass Assad Fouladkar mit "Ein Mann und sechs Frauen" die erfolgreichste ägyptische Sitcom erfunden hat. Mit seinen pointierten Dialogen, der aus dem Leben gegriffenen Situationskomik und der großen Empathie für alle Figuren demonstriert er, dass er genau weiß, wie er seine Botschaft unter die Leute bringen kann.

Die lautet: Seid frech, macht, was ihr wollt - aber sagt es bitte keinem. Eine Alltagsbewältigung, die ebenfalls an Westdeutschland während der Adenauer-Ära erinnert, an Heinz Erhardt, Heidi Kabel und an eine Zeit, als die Deutschen lernten, über sich selbst zu lachen und Vorschriften nicht mehr ganz so ernst zu nehmen.

Fouladkars smarte Mentalitätsstudie lüftet mit viel Esprit die Geheimnisse des Liebeslebens hinter dem Schleier. Für das muslimische Zielpublikum ist der Film eine perfekte Volkskomödie. Auf nicht-muslimische Kinogänger wirkt die Komödie entmystifizierend, weil sie vom Zwang befreit, den Islam als Mysterium wahrzunehmen.

"Liebe Halal" zeigt Aspekte des islamischen Alltags, von denen wir zwar schon immer etwas wissen wollten, nach denen wir uns aber nie zu fragen trauten. Der Film redet einem Humor das Wort, der über sich selbst lachen und Vorschriften möglichst weit auszulegen lässt. Ein Film für und über die vielen Lebenskünstler des Alltags. (KNA)