Hilflos gegen den IS - das Syrien-Debakel des US-Verteidigungsministeriums

Mit scharfen Worten kritisieren die USA Russlands Militärhilfe für den syrischen Diktator Assad. Das sei der völlig falsche Weg im Kampf gegen den Islamisten-Terror. Doch was das Pentagon am Boden gegen den IS ausrichtet, ist selbst für US-Patrioten ein schlechter Witz. Von Stefan Voß und Jan Kuhlmann

Als der US-Verteidigungsminister das Projekt «New Syrian Forces» vorstellte, klang er eigentlich noch recht zuversichtlich. Eine erste Gruppe von 90 syrischen Männern werde von US-Spezialisten für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausgebildet, verkündete Ashton Carter Anfang Mai. Es sollte die Speerspitze für den Kampf gegen die IS-Horden werden. Gemeinsam mit den US-Luftangriffen wolle man so die Radikal-Islamisten auf syrischem Boden zurückdrängen. Doch das Ausbildungsprojekt des Pentagons für die syrischen Rebellen erweist sich als Pleite. Kritiker sehen darin ein Symbol für die gescheiterte Politik von Pentagon und Weißem Haus in der Region.
5.000 Mann will Washington nach eigenem Bekunden jedes Jahr ausbilden, damit sie am Boden gegen die IS-Terrormiliz vorgehen. Die Realität könnte allerdings kaum weiter von der Ankündigung entfernt sein.

Zunächst verzögerte sich der Beginn der Ausbildung außerhalb Syriens, weil das US-Militär große Probleme hatte, Kämpfer zu finden, die es für vertrauenswürdig hielt. Im Sommer schloss die erste Gruppe ihre Training ab: Sie war gerade einmal 50 bis 60 Mann stark.

Als die Truppe im Juli unter dem Namen «Division 30» erstmals die Grenze zu Syrien überschritt, erlebte sie die brutale Realität. Anstatt gegen den IS zu kämpfen, wurde sie selbst zum Ziel der Al-Nusra-Front, syrischer Ableger des Terrornetzwerks Al-Qaida. Die Extremisten griffen nördlich von Aleppo die US-Verbündeten an, töteten fünf von deren Kämpfern und verschleppten etliche andere.
Ammar al-Wawi, ein Kommandeur der von den USA ausgebildeten Truppe, beschwerte sich anschließend über fehlende Unterstützung durch US-Luftangriffe. «Das war ein Versäumnis des Pentagons», wettert er im britischen «Telegraph». «Sie hätten uns helfen sollen.»

Das US-Verteidigungsministerium gibt sich nach außen hin nur leicht zerknirscht. «Wir haben daraus unsere Lehren gezogen», sagte Sprecher Peter Cook am 8. September. Zugleich stellt er klar: «Wir werden mit diesem Programm weiter machen.» Präsident Barack Obama hatte das Projekt im Vorjahr als «das beste Gegengewicht» gegen die IS-Milizen angekündigt. Das US-Programm ist auch ein Kontrastpunkt zu Russlands Militärlieferungen, mit denen der Kreml seinen Verbündeten, Präsident Baschar al-Assad, stützen will. US-Militärs verweisen darauf, dass die «Division 30» nur ein Teil der amerikanischen Bemühungen im grenzüberschreitenden Kampf gegen die Islamisten sei. Hinzu komme im Irak Unterstützung für die Regierungstruppen und Stammesverbände sowie kurdische Kämpfer.

Für die Republikaner ist die Pleite eine Steilvorlage im US-Wahlkampf. «Das alles ist ein ganz schlechter Witz», schimpfte Senator John McCain, Leiter des Streitkräfte-Komitees und einstiger Präsidentschaftskandidat. Das ganze Programm sei ein Fehler gewesen. McCains demokratischer Ausschusskollege Chris Murphy, Senator aus Connecticut, kann ihm nur beipflichten: «Das ist ein größeres Desaster, als ich es mir je vorstellen konnte.»

Für zusätzlichen Wirbel sorgten zuletzt Beschwerden von 50 amerikanischen Geheimdienst-Analytikern, ihre Berichte über die Lage in Syrien und den Erfolge der USA seien auf unerträgliche Weise geschönt worden. Das Pentagon kündigte eine Untersuchung an.
Die Männer der «Division 30» haben in Syrien ohnehin einen schweren Stand. Die Kämpfer gelten bei vielen als «Spione». Die USA genießen in Syrien generell wenig Ansehen. Für die meisten Aufständischen ist das Regime in Damaskus der größte Gegner, nicht der IS. Erst wenn Assad gestürzt sei, könne man sich den Dschihadisten zuwenden, lautet eine weit verbreitete Überzeugung.

Washington hingegen untersagt den von ihnen ausgebildeten Kämpfern, dass sie gegen Regimekräfte vorgehen. Die USA wollen auf keinen Fall in die Wirren des syrischen Bürgerkrieges hineingezogen werden.
Trotz aller Probleme dürfte die «Division 30» mittlerweile ihren Einsatz gegen den IS begonnen haben. Sie sei an Gefechten um die strategisch wichtige Stadt Marea nördlich von Aleppo beteiligt, berichtete die arabische Zeitung «Al-Sharq al-Awsat» Anfang September. Demnach soll sie vor allem der US-Luftwaffe Hinweise für Angriffe gegen den IS geben. Für Washington eine delikate Situation: Laut dem Blatt gab es vorab eine Absprache mit der Nusra-Front – die zwar mit dem IS verfeindet ist, aber auch von den USA bekämpft wird. (dpa)