Hamas ändert erstmals seit Gründung vor 30 Jahren ihr politisches Programm

Durch erste grundlegende programmatische Änderungen seit fast 30 Jahren will die islamistische Palästinenserorganisation Hamas offenbar in die Nahost-Verhandlungen einbezogen werden. Erstmals seit ihrer Gründung änderte die im Gazastreifen herrschende Hamas am Montag ihr politisches Programm. In einem Papier mit 42 Punkten akzeptiert sie unter anderem einen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967. Die israelische Regierung kritisierte das Papier als Täuschungsmanöver.

Die Hamas wurde Ende 1987 gegründet, ihre Charta stammt aus dem Jahr 1988. Nun veröffentlichte die Palästinenserorganisation erstmals eine Ergänzung zu der Charta, in dem sie "die Gründung eines vollkommen souveränen und unabhängigen Palästinenserstaates in den Grenzen vom 4. Juni 1967 mit Jerusalem als Hauptstadt" akzeptiert.

Die Formulierung bezieht sich auf die Lage vor der Besetzung des Westjordanlandes, des Gazastreifens und Ost-Jerusalems durch Israel. Durch die Beschränkung ihrer Forderungen auf diese Gebiete übernimmt die Hamas die Verhandlungsposition der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), die im Westjordanland herrscht und die von Israel und dem Westen als Verhandlungspartner akzeptiert wird.

Zeitgleich mit der Veröffentlichung des Programm-Dokuments auf Arabisch und Englisch hielt der im Exil lebende Hamas-Chef Chaled Meschaal in Doha eine Pressekonferenz ab. "Wir sind bereit, mit wem auch immer zusammenzuarbeiten, der uns helfen kann", den nun beschriebenen Palästinenserstaat zu erlangen, sagte Meschaal. Direkte Verhandlungen mit Israel lehne seine Organisation jedoch ab, "denn es gibt kein Kräftegleichgewicht".

Die Hamas sei "eine lebendige Bewegung, die sich erneuert". Die Grundsätze der Organisation blieben jedoch unverändert, versicherte Meschaal. So hob die Hamas hervor, dass sie den jüdischen Staat Israel weiterhin nicht anerkennt.

Die Hamas betonte, dass ihr Konflikt mit Israel einen politischen und keinen religiösen Charakter habe. Das Dokument unterscheidet zwischen Juden "als religiöse Gemeinschaft auf der einen Seite und der Besatzung und dem zionistischen Projekt auf der anderen Seite".

Das neue Programm-Dokument wurde zwei Tage vor dem ersten Treffen zwischen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und US-Präsident Donald Trump veröffentlicht. Israel, die EU und die USA stufen die Hamas als "terroristisch" ein. Obwohl die Organisation bereits seit zehn Jahren im Gazastreifen herrscht, lehnen westliche Regierungen einen offiziellen Dialog mit ihr ab.

Mit der ersten Änderung der Hamas-Charta, die von Israel und anderen als antisemitisch eingestuft wird, versucht die Palästinenserorganisation nach Einschätzung von Experten nun, einen Platz bei internationalen Nahost-Verhandlungen zu erlangen.

Die israelische Regierung wertete das Vorgehen als Ablenkungsmanöver. Die Hamas "macht sich über die Welt lustig, in dem sie versucht, sich in diesem sogenannten Dokument als aufgeklärte Organisation zu präsentieren", erklärte die Behörde des israelischen Verteidigungsministeriums für die besetzten Gebiete (Cogat).

Ein Sprecher von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verwies auf den fortwährenden Kampf der Hamas gegen Israel. "Sie graben Tunnel, um Terrorakte zu begehen, und schießen tausende und abertausende Raketen auf israelische Zivilisten", erklärte Sprecher David Keyes.

In zwei Wochen gibt die Hamas den Nachfolger von Meschaal bekannt, der dem gemäßigten und pragmatischen Flügel der Hamas angehört. Es wird damit gerechnet, dass ihn der frühere palästinensische Regierungschef Ismail Hanijeh beerbt, der die selbe Linie vertritt. (AFP)