Geschwächt, nicht geschlagen: Assads Armee leidet unter Bürgerkrieg

Syriens Militär musste im Bürgerkrieg schmerzliche Niederlagen einstecken. Trotzdem hat das Regime wichtige Gebiete gehalten. Es kann sich auf seine Offiziere und Hilfe aus dem Ausland verlassen. Einzelheiten von Jan Kuhlmann

Als der Reporter des staatstreuen Fernsehens auf dem befreiten Militärflughafen im Norden Syriens eintrifft, kennt seine Begeisterung keine Grenzen. «Ihr seid Helden», ruft er den Regimesoldaten zu, die ihn begrüßen. «Herzlichen Glückwunsch. Ich bin eigens am Tag gekommen, damit ich Euch alle filmen kann.» Küsschen links und rechts, Umarmungen, Schulterklopfen. Syriens staatstreue Medien feiern den wichtigsten Erfolg ihrer Truppen seit langem.

Einen Monat ist es her, dass die Armee von Präsident Baschar al-Assad einen Belagerungsring der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) um den Militärflughafen Kuweiris östlich der Stadt Aleppo durchbrechen konnte. Zum ersten Mal überhaupt konnten Assads Kräfte dem IS damit ein wichtiges Gebiet entreißen - ein Sieg, der vor allem der Moral der Regimeanhänger einen Schub gab.

Motivation können Assads Soldaten gebrauchen, denn die Armee hat seit Ausbruch des Bürgerkrieges vor bald fünf Jahren massive Rückschläge zu beklagen. 300.000 Mann standen einst für das Regime unter Waffen. Doch durch Überläufer, Deserteure und Verluste habe sich diese Zahl auf rund 150.000 Soldaten verringert, schätzt Chris Kozak, Syrien-Fachmann der US-Denkfabrik Institute for the Study of War.

Assad selbst gestand vor einigen Monaten öffentlich ein, dass das Regime zudem Probleme habe, Soldaten zu rekrutieren. Von den verbliebenen Kräften kann zugleich nur ein kleinerer Teil tatsächlich für Offensiven gegen den IS und Rebellen eingesetzt werden. Rund 65.000 Mann gebe es, die dafür geeignet seien, meint Militärexperte Kozak. Die anderen sind demnach entweder zu schlecht ausgebildet, oder das Regime hält sie nicht für zuverlässig genug. In die Schlacht um den Kuweiris-Flughafen schickte Assad die «Tiger-Kräfte», eine seiner berüchtigten Elite-Einheiten.

Trotz der Schwäche seines Militärs und vieler Niederlagen gegen seine Gegner kann das Regime bisher die wichtigsten Städte im Land halten. Auch der Armee selbst droht nach Einschätzung von Kozak kein totaler Zusammenbruch. Die Kräfte des Militärs seien überdehnt, «aber sie können ihre Position halten», sagt er.

Das hat verschiedene Gründe. Verlassen kann sich Assad bis heute auf sein Offizierskorps. Es besteht zu großen Teilen aus Alawiten, der Strömung des Islam, der auch die Herrscher-Familie angehört. Aber auch die meisten sunnitischen Offiziere bleiben dem Regime treu, das hochrangige Soldaten durch zahlreiche Privilegien an sich gebunden hat. So erhalten sie günstigen Wohnraum und leben in eigenen Vierteln, abgeschottet vom Rest des Gesellschaft. Diese Ghettoisierung habe dazu geführt, dass die Offiziere den Aufstand in Syrien als Bedrohung ihrer Existenz ansehen, heißt es in einer Carnegie-Studie.

Gleichzeitig baute das Regime mit den Nationalen Verteidigungskräften (NDF) lokale Milizen aus. «Schabiha» - zu Deutsch: «Gespenster» - nennen die Syrer abfällig diese bewaffneten Gruppen, die es schon vor dem Bürgerkrieg gab. Mittlerweile soll die Zahl ihrer Kämpfer auf 100.000 gestiegen sein - Männer, die vom Regime bezahlt, aber nicht immer völlig kontrolliert werden.

Mehrfach gab es in den vergangenen Monaten Berichte über gewaltsame Zusammenstöße mit der Armee. Dass Assad einige Gebiete zurückerobern konnte, hat er jedoch im Wesentlichen ausländischer Hilfe zu verdanken. Russische Jets geben seinen Truppen die dringend benötigte Luftunterstützung. Insbesondere Moskaus Intervention habe die Moral von Assads Truppen gesteigert, berichtet ein Ex-General der syrischen Armee. Vor allem aber sind Tausende Iraner und Kämpfer der vom Iran finanzierten Schiiten-Miliz Hisbollah aus dem Libanon für das Regime im Einsatz.

Sie aber führen ein Eigenleben. Viele syrische Soldaten seien frustriert, weil «ihnen iranische Kommandeure Befehle geben und sie über die großen Offensiven im Dunkeln lassen», erzählt der Ex-General.

Wenn die internationale Gemeinschaft demnächst wieder über Syriens Zukunft verhandelt, wird es dabei auch um diese ausländischen Kämpfer gehen. Militärexperte Kozak glaubt, dass der IS nur dann besiegt werden kann, wenn es eine stabile Regierung gibt, die Regierungskräfte und Rebellentruppen vereinen kann.

Viele Regimegegner fordern aber nicht nur eine Auflösung der Armee, sondern auch einen Abzug aller ausländischen Kämpfer. «Gebraucht wird eine legitimierte Bodentruppe», sagt Kozak. «Aber das ist bisher ein Wunschdenken.» (dpa)