Gabriel will die Türkei unbedingt im Westen halten - Debatte über deutsche Hilfen

Soll man der wirtschaftlich angeschlagenen Türkei unter die Arme greifen? Der Türkei Erdogans, die sich aus westlicher Sicht immer weiter von der Demokratie entfernt? Ex-Außenminister Gabriel hat eine klare Antwort - und eine ebenso klare Warnung.

Die Türkei-Krise birgt nach Einschätzung des früheren Außenministers Sigmar Gabriel gravierende sicherheitspolitische Risiken für Deutschland und Europa. «Wir müssen im eigenen Interesse alles tun, um die Türkei im Westen zu halten», sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag). Sonst drohe langfristig sogar die atomare Bewaffnung einer politisch isolierten Türkei.

Deutschland und Europa müssten das klare Signal geben, dass sie nicht mitmachen bei der von US-Präsident Donald Trump betriebenen wirtschaftlichen Destabilisierung der Türkei. «Die USA tun jetzt etwas, was man nach meiner Meinung unter Nato-Partnern nicht tun darf: Sie wenden Sanktionen an und versuchen, ein ohnehin wirtschaftlich angeschlagenes Land über die Klippe zu schieben.»

Gabriel stellte die Frage, was eine sich von der Nato immer weiter lösende Türkei tun werde. Seine Antwort: «Ich fürchte, früher oder später werden in der Türkei nationalistische Kräfte - ebenso wie im Iran und Nordkorea - nach der Atombombe greifen, um sich unangreifbar zu machen.»

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hatte zuvor deutsche Hilfe für die Türkei ins Gespräch gebracht. «Es kann die Situation entstehen, in der Deutschland der Türkei helfen muss - unabhängig von den politischen Auseinandersetzungen mit Präsident (Recep Tayyip) Erdogan», sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. «Die Türkei ist ein Nato-Partner, der uns nicht egal sein kann. Es ist in unser aller Interesse, dass die Türkei wirtschaftlich stabil bleibt und die Währungsturbulenzen eingedämmt werden.»

Finanzielle Hilfen für die wirtschaftlich angeschlagene Türkei kommen aus Sicht des CDU-Außenpolitikers Jürgen Hardt aber nur bei einem Kurswechsel der Regierung in Ankara in Frage. «Die Ursache für die Wirtschafts- und Währungskrise in der Türkei sind die fahrlässigen Äußerungen von Präsident Erdogan mit Blick auf die Unabhängigkeit der Zentralbank und die Rechtsstaatlichkeit», sagte Hardt der «Rheinischen Post» (Montag).

Sollte Staatspräsident Erdogan diese Haltung nicht grundsätzlich ändern, wären Wirtschaftshilfen vergeudetes Geld. «Wenn die türkische Regierung allerdings umschwenken würde, könnte man über Hilfen nachdenken», sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion. «Wir haben ein Interesse an einer starken Türkei - aus politischen und ökonomischen Gründen.» Der Schlüssel zur Lösung der Probleme liege in den Händen Erdogans, sagte Hardt auch der «Passauer Neuen Presse» (Montag).

«Die selbst verschuldete Krise der Türkei ist viel zu groß, als dass Deutschland allein sie beenden könnte», gab der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff zu bedenken. «Die Bundesregierung sollte Ankara stattdessen überzeugen, ein Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds zu akzeptieren», sagte er der «Augsburger Allgemeinen».

In der «Welt» nannte er den Nahles-Vorstoß «naiv und deplatziert». Mit Wirtschaftshilfen stabilisiere man nicht das globale Finanzsystem, sondern nur das System Erdogan. «Das kann angesichts der Lage der deutschen Gefangenen (in der Türkei) nicht das Ziel sein.»

Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour hält Hilfen unter bestimmten Bedingungen für möglich: «Und die Bedingung muss die Rückkehr der Türkei zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sein. Es geht nicht mit einer Türkei, die mit Siebenmeilenstiefeln in Richtung Diktatur läuft», sagte er der «Welt».

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt argumentierte in der «Augsburger Allgemeinen» ähnlich: «Die Türkei wird da nur wieder rauskommen, wenn die türkische Regierung ihren autoritären und immer unberechenbareren Kurs revidiert.» Wer wie Erdogan politische Gegner und Journalisten ins Gefängnis sperren lasse und nichts auf Meinungsfreiheit und Menschenrechte gebe, «der verhindert selbst, dass Vertrauen in die Wirtschaft zurückkommt und eine politische Annäherung möglich ist». (dpa)