Friedensbotschaft der Religionen von den Dächern Jerusalems

Eine ungewöhnliche künstlerische Präsentation auf den Dächern der Jerusalemer Altstadt will die Gemeinsamkeiten der Religionen deutlich machen. Die Soundkomposition soll eine Botschaft der Versöhnung senden.

Jerusalem ist gleichermaßen ein Symbol des Friedens, des Zusammenlebens und des Konflikts von Religionen. Die Stadt ist Juden, Christen und Muslimen heilig - und sie streiten sich um sie und wegen ihr. Dabei bieten die Religionen auch einen Schlüssel zur Koexistenz. Eine ungewöhnliche künstlerische Präsentation auf den Dächern der Jerusalemer Altstadt will nun die Gemeinsamkeiten der Religionen deutlich machen, will zeigen, dass sie auch eine Botschaft von Frieden und Versöhnung bringen.

Titel des Projekts der Evangelischen Jerusalemstiftung: "Crossroads - open space." Es ist eine Komposition, zusammengesetzt aus den Stimmen eines Rabbiners, eines Christen und eines Muslims, die Botschaften ihrer Religion ausgewählt und in ihren jeweiligen Sprachen gesprochen haben.

"Crossroads" wird präsentiert genau an dem Kreuzungspunkt der Jerusalemer Altstadt, wo sich einst die römischen Hauptstraßen-Achsen kreuzten, und wo heute die vier Wohnviertel der Christen, Muslime, Juden und Armenier zusammenstoßen. Über die hier begehbaren Dächer nahe dem Lutherischen Gästehaus ziehen täglich Hunderte Menschen - Anwohner, Touristen, Jugendliche, Soldaten auf Bildungsexkursion - und wechseln zwischen den Wohnvierteln. Der Kreuzungspunkt wird somit zu einem "Open Space", zu einem offenen Raum des Miteinanders zwischen den Anrainern der vier Seiten.

Den jüdischen Text hat der international bekannte Rabbiner David Rosen ausgewählt und gesprochen. "Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Land, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen, wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie die selbst", zitiert er aus dem Buch Leviticus.

Der orthodoxe Christ John Tleel entschied sich (auf Griechisch) für das Gebot der Feindesliebe aus dem Matthäus-Evangelium: "Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel."

Und der Muslim - Majd Hidmi - zitiert aus der Sure 49 des Korans den Vers 13: "Ihr Menschen, wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennt. Der Edelste vor Gott ist der unter euch, der am gottesfürchtigsten ist." Hinzu kommt noch - dem Reformationsjubiläum geschuldet - ein Liedvers Martin Luthers: "Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten", den der Jerusalemer Propst Wolfgang Schmidt in das Projekt eingebracht hat.

Die Religionen verbreiteten Texte, die Trennendes unterstrichen. "Hier werden nun Text bereitgestellt, die Versöhnendes in den Vordergrund stellen", erläuterte der Komponist Michael Muschner sein Projekt.

Er hat aus den vier Texten einen Klangteppich geschaffen, wie er es unlängst ähnlich bei einem Projekt in der Wittenberger Schlosskirche mit Luther-Texten getan hatte. Dabei wurden die Texte und die Worte zerlegt, dekonstruiert, wurden "zum Klangmaterial des musikalischen Kompositionsprozesses". Die Komposition wurde dann am Computer erarbeitet und schließlich im Tonstudio fertiggestellt. Sie besteht aus unabhängigen Klangschichten - aus den vier Texten. "Live-elektronisch und computergesteuert verändert die Musik nach jeweils einer Stunde ihre Gestalt, eine Folge von 60-Minuten Konzerten ergibt sich, in denen die Schichten jeweils neu zueinander ins Verhältnis gesetzt werden."

Zu hören sein soll die Soundkomposition bis zum Reformationstag am 31. Oktober täglich 24 Stunden lang. Rund um das Lutherische Gästehaus sind zahlreiche Klangquellen installiert. Freilich ist der Sound nicht selbsterklärend, einzelne Worte sind nicht mehr zu erkennen, er muss daher mit den Texten kombiniert werden. In den nächsten Tagen sollen daher rund um das Hospizgelände und an den Zäunen Plakate und Tafeln mit den akustisch bearbeiteten Texten angebracht werden, so Propst Schmidt.

Damit ist Jerusalem um eine ungewöhnliche, originelle Attraktion reicher. Diese kann auf ihre Weise an einem Kreuzungspunkt Jerusalems den Raum für die friedenstiftende Rolle der Religionen öffnen und multimedial ausfüllen. (KNA)