Evakuierung Aleppos verzögert sich - Bevölkerung leidet

Nach dem Sieg syrischer Regierungstruppen in Aleppo verzögert sich Rebellen zufolge die Evakuierung ihres letzten Rückzugsgebiets im Osten der Stadt. Zahlreiche Busse stünden mit laufenden Motoren bereit, berichtete ein Augenzeuge. Doch bis Mittwochmorgen habe noch niemand die Viertel verlassen können. Oppositionelle machten dafür Milizen des mit Präsident Baschar al-Assad verbündeten Iran verantwortlich.

Der mächtige Assad-Alliierte Russland hatte zuvor zusammen mit der Türkei die  Waffenruhe vermittelt. Unterdessen teilte die Moskauer Regierung einem Agenturbericht zufolge mit, fast 6.000 Zivilisten hätten die Rebellengebiete bereits verlassen. Dabei handelte es sich offenbar um eine Entwicklung unabhängig von den größeren Evakuierungsplänen, in die die Vereinten Nationen (UN) nach eigenen Angaben bisher nicht eingebunden sind.

Eigentlich hätte schon vor Tagesanbruch damit begonnen werden sollen, Kämpfer und Zivilisten aus den Trümmern von Ost-Aleppo in Sicherheit zu bringen. Viele Menschen standen mit gepackten Taschen im strömenden Regen bereit. Sie fürchten nach monatelangem Bombardement nun Plünderungen und Gewalt syrischer Truppen und von deren iranischen Verbündeten. Zudem ist die medizinische Versorgung weitgehend zusammengebrochen, und es gibt nicht genügend Lebensmittel und Trinkwasser. Zehntausende Menschen werden noch in heftig umkämpften Stadtteilen vermutet.

Auch die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von einer Verzögerung bei der Evakuierung. Der Grund sei unbekannt. Ein den Assad-Gegnern nahestehender TV-Sender berichtete, bis Donnerstag passiere nichts. Das russische Verteidigungsministerium erklärte laut der Agentur Interfax, in den vergangenen 24 Stunden seien allein 2.000 Kinder in Sicherheit gebracht worden. Im selben Zeitraum hätten mehr als 360 Aufständische die Waffen niedergelegt und die Rebellengebiete verlassen.

Aus Rebellenkreisen verlautete, vom Iran unterstützte Schiiten-Milizen boykottierten die von Russland vermittelte Waffenruhe. Rivalitäten unter den Konfliktparteien und ihren Verbündeten hatten bereits zuvor den Bürgerkrieg verschärft, der auf einen Aufstand gegen die Assad-Herrschaft zurückgeht. Die Rückeroberung von Aleppo ist ein wichtiger Etappensieg Assads, der seit den ersten Einsätzen der russischen Luftwaffe vor 18 Monaten immer mehr die Oberhand gewinnt.

Die UN erklärten, sie stünden zur Hilfe bereit. Bisher seien sie aber nicht in die Evakuierungspläne eingebunden. Frankreich forderte den Einsatz von UN-Beobachtern. Anders könnten Zivilisten nicht in Sicherheit gebracht werden, erklärte Außenminister Jean-Marc Ayrault. Den UN zufolge sollen Assad-Soldaten und verbündete Milizen während der Vorstöße ins Rebellengebiet mindestens 82 Zivilisten getötet haben.

Die Türkei kündigte unterdessen den Bau einer Zeltstadt für bis zu 80.000 Flüchtlinge aus Aleppo an. Das Land beherbergt bereits rund 2,7 Millionen Flüchtlinge aus Syrien. (Reuters)