Erster muslimischer Bürgermeister Nordamerikas kämpft gegen Hass-Rhetorik

Naheed Nenshi ist der erste muslimische Bürgermeister einer nordamerikanischen Metropole. Aus dem kanadischen Calgary heraus setzt er sich für die Verständigung der Religionen ein, kritisiert Donald Trump und will so viele Flüchtlinge wie möglich aufnehmen. Von Christina Horsten

Den US-Republikaner Donald Trump kann Naheed Nenshi nicht so richtig ernst nehmen. Mit der Forderung nach einem Einreiseverbot für Muslime in die USA habe sich der republikanische Präsidentschaftskandidat mit seiner Mutter und Schwester angelegt, witzelt Nenshi. «Denn die wollen nach Hawaii reisen. Und das sind zwei Frauen, mit denen man sich besser nicht anlegen sollte.» Dann wird der 43-Jährige wieder ernst. «Solche Aussagen sind lächerlich, aber sie erzeugen Spaltung. Der Ton in dieser Debatte hat sich in den letzten Monaten deutlich verschärft - und da müssen wir gegen angehen.»

Nenshi stammt aus einer muslimischen Familie - und ist Bürgermeister von Calgary in Kanada. 2010 wurde er zum Oberhaupt der Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern gewählt - und damit zum ersten muslimischen Bürgermeister einer nordamerikanischen Metropole. 2013 wurde er mit mehr als zwei Dritteln der Stimmen wiedergewählt, seine Popularitätswerte sind nach wie vor hoch, und im Februar wurde er von der Bürgermeistervereinigung World Mayor zum Stadtoberhaupt des Jahres ernannt.

Sein Glaube habe für ihn bei der Kandidatur ursprünglich überhaupt keine Rolle gespielt, erzählt Nenshi, dessen Familie einst aus dem ostafrikanischen Tansania nach Kanada auswanderte, im Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Aber nach der Wahl war ich dann plötzlich berühmt. Alle wollten mich interviewen und es ging immer nur um meine Religion. Da habe ich mich dann entschieden, meine Geschichte zu nutzen, um für einen Zusammenhalt der Religionen zu werben.»

Anfeindungen hat Nenshi erlebt, aber der Großteil der Reaktionen auf ihn sei positiv. «Idioten gibt es überall, am besten man ignoriert blöde Kommentare. Auf Twitter mache ich auch manchmal Witze darüber.» 

Nenshis Wahl 2010 war alles andere als eine ausgemachte Sache. Zu Beginn seiner Kampagne lag der rundliche Mann mit schwarzen Locken und Brille, der an der Elite-Universität Harvard studiert und bei Beratungsfirmen gearbeitet hat, in Umfragen bei gerade einmal einem Prozent der Stimmen. Medien spotteten über den «streberischen muslimischen Typ mit dem breiten Grinsen». Als unabhängiger Kandidat mit eher liberalen Ansichten werde er im konservativen, stark von der Öl- und Gasindustrie geprägten Calgary sowieso keine Chance haben, vermuteten Beobachter. Aber Nenshi perfektionierte seine Social-Media-Strategie und ging wochenlang von Tür zur Tür – mit Erfolg.

«Am Anfang war seine Wahl irgendwie schon ein Risiko, man weiß ja nie mit dem ganzen Terrorismus», sagt eine vor 40 Jahren aus Deutschland ausgewanderte Frau, die inzwischen in Calgary bei einer Ölfirma arbeitet. «Aber Muslim oder kein Muslim, er ist einfach toll und macht seinen Job großartig.»

Nenshi ist inzwischen in ganz Kanada bekannt. Bei der Parlamentswahl im Oktober war er begehrter Gesprächspartner der TV-Kommentatoren, und den neuen liberalen Premierminister Justin Trudeau kennt er schon lange. «Wir haben diesen Insider-Witz: Immer wenn wir uns sehen, kommt Justin mit ausgebreiteten Armen auf mich zu, und ich verstecke mich schnell. Dann, wenn er nicht hinschaut, drücke ich ihn fest.

Justin hat Humor, er ist sehr motiviert und ich freue mich darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten.» 2017 wolle er erneut als Bürgermeister kandidieren, sagt Nenshi.  Seine größte Herausforderung - jetzt und dann - sieht er in den leeren Kassen der Metropole, die stark unter der Krise der Öl- und Gasindustrie in der Provinz Alberta leidet. Aber er liebe seine Heimat Calgary, vor allem den weiten blauen Himmel, die aktive Theaterszene und die Vielfalt der Menschen.

Für ihn als Einwandererkind ist Kanada Heimat geworden, und das will er weitergeben. 1300 Flüchtlinge sollen bald nach Calgary kommen als Teil der insgesamt 25 000, die Premierminister Trudeau aufnehmen will. «Im Vergleich mit Deutschland ist das nicht viel, das weiß ich, aber wir arbeiten daran, dass es (...) mehr sein können.» Schon sei ein Handarbeitskreis dabei, Mützen und Handschuhe für die Neuankömmlinge anzufertigen, und eine Gruppe kanadischer Ureinwohner wolle sie mit traditioneller Musik begrüßen, erzählt Nenshi. «Wir freuen uns auf die Flüchtlinge und wollen, dass sie sich hier wohlfühlen. Das ist unsere moralische Verantwortung.» (dpa)