Echo von John F. Kennedy: Obamas historischer Iran-Vergleich

Mitten im politischen Sommerloch beginnt in Washington die Mutter aller Lobby-Schlachten: Kippt der US-Kongress den Atomdeal mit dem Iran? Barack Obama redet den Amerikanern ins Gewissen und beginnt die vielleicht wichtigste Werbekampagne seiner Präsidentschaft. Von Johannes Schmitt-Tegge und Alexandra Rojkov

 

Jetzt will er in die Fußstapfen des ganz Großen treten. Erst hatte US-Präsident Barack Obama auf seinen Vorgänger Richard Nixon und dessen Haltung gegenüber dem kommunistischen China verwiesen. Dann nannte er Ex-Amtsinhaber Ronald Reagans nukleare Abrüstungsgespräche mit der Sowjetunion. Nun ist es kein geringerer als der ehemalige Präsident John F. Kennedy, mit dem Obama für das Atomabkommen mit dem Iran Werbung macht.

«Das Streben nach Frieden ist weniger dramatisch als das Streben nach Krieg», zitiert Obama Kennedy, der 1963 bei der Abschlussfeier der American University seine außenpolitische Vision dargelegt hatte. Kennedy erklärte damals: «Dennoch ist dies unsere dringlichste Aufgabe.» Acht Monate zuvor hatte die Welt den Atem angehalten, als der Kalte Krieg sich während der Kuba-Krise in einen heißen und verheerenden Atomkrieg zu verwandeln drohte.

Gut ein halbes Jahrhundert später wiederholt sich die Geschichte - zumindest, wenn man Obama glauben mag. Warb Kennedy damals für einen umstrittenen Atomteststoppvertrag und einen breiteren Dialog mit Moskau, wirbt Obama für das Atomabkommen mit Teheran. Nicht von ungefähr hat er für seine Rede ebenfalls die American University ausgesucht, ganz bewusst greift er zentrale Gedanken Kennedys auf.

Der zur Galionsfigur aufgestiegene Präsident, der nach seiner Ermordung im Jahr 1963 fast eine Art Märtyrerstatus erreichte, soll unterbewusst helfen, die Amerikaner auf Obamas Seite zu ziehen.

Doch es ist auch ein größerer außenpolitischer Entwurf, den Obama in die Welt trägt. So wie die diplomatische Öffnung gegenüber Kuba will er den Dialog mit Teheran im jahrelangen Atomstreit als schrittweise Lösung eines einzelnen Problems verkaufen - nicht als naives Freundschaftsangebot an einen alten Erzfeind. «Das sollte die Lehre aus einem Jahrzehnt des Krieges sein», sagt Obama eindringlich.

«Widerstehe der gängigen Meinung und dem Trommelschlag des Krieges.» Und welcher Krieg könnte da als besseres Beispiel dienen als die umstrittene Invasion im Irak im Jahr 2003, die Obama klar abgelehnt hatte. «Klar denken» müssten die USA in ihrer Außenpolitik, sagt er mit einem eindeutigen Seitenhieb auf seinen Vorgänger George W. Bush, der seinerzeit den Marschbefehl gegeben hatte. Nach dem Krieg mit mehr als 1,5 Millionen US-Soldaten, von denen etwa 4.500 getötet und über 30.000 verletzt wurden, und der das Land in eine Brutstätte für Terroristen verwandelte, lautet Obamas Botschaft: Beim Irak habe ich recht behalten, also traut mir auch beim Iran.

Im Kern wiederholt Obama in seiner knapp einstündigen Rede längst bekannte Argumente für das internationale Abkommen, das Teheran am Bau von Atomwaffen hindern soll. Doch zwischen den Zeilen sagt er mehr. «Es gibt einen breiteren Rahmen», sagt sein ehemaliger Berater im Pentagon, Ilan Goldenberg, dem Magazin «Politico». Die Haltung gegenüber Iran und Kuba sei Teil eines breiter angelegten Versuchs, die oft wenig zielführende Totalblockade verfeindeter Staaten aufzugeben und - wenn auch in Trippelschritten und mit immer neuen Rückschlägen - zu verhandeln. «Engagement ist keine Kapitulation», sagt Goldenberg. Das sei die zentrale Botschaft.

Nach Jahren einer bisweilen chaotischen Halsüberkopf-Politik gegenüber Ländern wie Syrien, dem Irak, Ägypten, Libyen und der Ukraine mag das immerhin ein stringenter Ansatz sein. Doch er hat Grenzen. Hatte Obama etwa dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einen freundlicheren Dialog angeboten, musste er später mit ansehen, wie dieser in den Konflikt in der Ostukraine eingriff und die Halbinsel Krim in einem vom Westen nicht anerkannten Referendum annektierte. Die Leitung nach Nordkorea ist so gut wie tot.

Mit Blick auf seinen Platz in den Geschichtsbüchern hat der in anderthalb Jahren aus dem Amt scheidende Obama seine vielleicht wichtigste Werbekampagne begonnen. Doch zunächst geht es darum, mit Israel den schärfsten Kritiker des Iran-Abkommens zu besänftigen.

Dessen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich vorgenommen, den Deal zu verhindern - komme, was wolle.  Bei jeder Gelegenheit mahnt Netanjahu: Das Abkommen ebne Iran den Weg zur Bombe.

In einer Videobotschaft an die Juden in Nordamerika malte Netanjahu noch mehr Schreckensbilder. Gelder, die der Iran nach Aufhebung der Sanktionen bekäme, würden in Attentate fließen. «Es wird mehr Terrorismus geben. Es wird mehr Anschläge geben. Mehr Menschen werden sterben», warnte Netanjahu mit Nachdruck.

Netanjahu weiß, dass nicht nur die amerikanischen Juden diesen Worten genau lauschen - sondern auch die US-Regierung. Er wolle Obama nicht angreifen, sagte Netanjahu. Doch in Wahrheit belastet der Zwist die ohnehin angespannten israelisch-amerikanischen Beziehungen. Und Netanjahu predigt weiter, den Deal zu kippen, ohne Rücksicht auf außenpolitische Verluste. Obama zeigt Verständnis für dessen Sorgen - stellt dann aber klar: «Ich glaube, dass er falsch liegt.» (dpa)

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