Ein Amerikaner in Shiraz

Im Herbst 2008 begleitet Regisseur Till Schauder den amerikanischen Basketballspieler Kevin Sheppard in den Iran, wo er beim Team A.S. Shiraz einen Saisonvertrag unterzeichnete. Rasch lernt Kevin Land und Leute kennen und beginnt seine anfänglichen Ressentiments sowie Vorurteile abzulegen. Von Laura Overmeyer

Von Laura Overmeyer

Es ist ein Job, der Kevin Sheppard in den Iran verschlägt: Der amerikanische Basketball-Profi soll das neu gegründete Team A.S.Shiraz unterstützen, die Playoffs der iranischen Super League zu erreichen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass amerikanische Profi-Spieler auf diese Weise ihr Geld verdienen, doch der Iran steht nicht unbedingt auf Platz eins der Liste üblicher "Auslandseinsätze".

"Als ich zum ersten Mal vom Angebot aus dem Iran hörte, dachte ich: 'Niemals! Die wollen Israel in die Luft jagen, der Imam ist vollkommen verrückt und alle reiten auf Kamelen'", erinnert sich Kevin lachend.

Als er 2008 dann doch seinen Vertrag bei A.S. Shiraz unterzeichnet, ist die Lage nicht weniger angespannt als heute: Die USA kämpfen im Irak und Afghanistan, der Konflikt mit dem Iran, von George W. Bush auf die "Achse des Bösen" platziert, scheint schon damals kurz vor der Eskalation zu stehen. Alle diplomatischen Beziehungen der Vereinigten Staaten mit dem Gottesstaat liegen auf Eis, jeglicher wirtschaftlicher Verkehr ist seitens der USA untersagt.

Sport als Zugang

Auf dieser Ausgangssituation basiert Regisseur Till Schauders Idee zu "The Iran Job": Begeistert vom Mut des jungen Mannes, der seiner Ansicht nach "mehr zur Völkerverständigung zwischen Iranern und Amerikanern [beitrug] als irgendein Politiker oder Kleriker auf beiden Seiten", begleitet er ihn auf seine Reise.

Basketball-Spiel von A.S. Shiraz; Copyright: www.theiranjob.com
Euphorie als Druckventil: Die iranischen Fans seien um einiges verrückter als die amerikanischen Fans, meint Kevin und vermutet, dass ihr Singen, Schreien und Tanzen (selbst bei der Niederlage des eigenen Teams) für sie ein Weg ist, ihrer Wut und Frustration Luft zu machen.

​​Schauder ist von Anfang an klar, dass der Film nicht beim Basketball bleiben würde: "In meiner Vorstellung war der Sport immer nur ein Aufhänger gewesen – ein Ausgangspunkt, um dem westlichen Publikum das Thema zugänglich zu machen. Ausgehend vom Basketball wollte ich tiefer in die Gesellschaftsstruktur des Iran eindringen."

Es ist eine ereignisreiche Zeit, in die Kevins erste Spielsaison fällt. Das Jahr 2008 neigt sich dem Ende. Nicht nur in den USA stehen die Präsidentschaftswahlen kurz bevor, auch im Iran soll gewählt werden – und es brodelt gewaltig unter der Oberfläche. Es bahnte sich schließlich das an, was als "Grüne Bewegung" in die neuere Geschichte des Landes eingehen sollte.

Gekippte Vorsätze

"Ich versuche mich aus der Politik so weit wie möglich herauszuhalten", meint Kevin noch zu Beginn des Films. "Politik ist ein gefährliches Spiel. Ich halte meine Augen und Ohren offen, aber ich versuche mich auf das zu konzentrieren, was meine Aufgabe ist: Basketball."

Doch während er es tatsächlich schafft, sein junges Team in die Playoffs zu befördern, kommt er trotz seiner Bedenken nicht umhin, auch eine andere, eine politische Seite des Iran kennen zu lernen. Dies verdankt er vor allem der Bekanntschaft dreier junger Frauen (Hilda, Elaheh und Laleh), die ihm nicht nur die Kultur und die Sehenswürdigkeiten des Landes nahe bringen, sondern sein Wohnzimmer in einen Ort offener Diskussion über Politik, Religion und Geschlechterrollen verwandeln.

Geschickt verwebt der Film drei Handlungsstränge. Zum einen der Sport: das Team, das Training, die Spiele, der Erfolg. Zum anderen der Amerikaner, der sich in dieser neuen, ungewohnten Kultur zurechtfinden muss, der Freunde findet und das Land erlebt. Ergänzend eine politische Ebene, dargestellt in eingeschnittenen, unkommentierten Nachrichtensequenzen, die die Handlung in das äußere Geschehen zeitlich einordnen.

Auf allen drei Ebenen steigert sich der Handlungsbogen zum Ende, um dann drastisch abzufallen: Durch das Ausscheiden des Teams bei den Playoffs, durch Kevins Abreise nach dem Ende der Saison und – über allem thronend – durch die Enttäuschung der iranischen Bevölkerung nach den Wahlen und die anschließende Entladung des Zorns in Massenprotesten, deren Bilder um die Welt gehen.

Der Zusammenschnitt von historischen Nachrichtenmaterialien, original Fernsehübertragungen der Basketballspiele sowie eigenen Filmaufnahmen, die Schauder mit Minimal-Ausstattung und ohne Team drehte, da ihm das Journalistenvisum verweigert worden war, machen den Film abwechslungsreich und glaubhaft. Die iranische Musikauswahl verdient ein extra Lob.

Szenen von Normalität

Der Film besticht vor allem durch seinen ungewohnten Zugang: Aus dem Iran ist man Schreckensmeldungen über massive Unterdrückung, politische Debakel und realitätsferne Drohgebärden gewohnt. Zwar werden diese Komponenten nicht ausgeblendet, bleiben jedoch im Hintergrund.

Wer hätte gedacht, dass die iranische Basketball-Liga zu einer der besten Asiens gehört? Wer hätte gedacht, dass sich auch dort Sportveranstaltungen bei Männern wie Frauen so großer Beliebtheit erfreuen?

Es sind Szenen von Normalität, die Schauder uns vorführt, weiterhin dargestellt durch die sich mit der Zeit entwickelnden zwischenmenschlichen Beziehungen: Die Mannschaft wächst zusammen, aus Kollegen werden Freunde, die sich ebenso für Frauen und Sport interessieren, wie andere junge Männer auf der Welt. Ein besonderer Gewinn sind die drei jungen Frauen, die Kevin durch Zufall kennen lernt. Sie geben dem Film Tiefe und führen ihn weg von der sportlichen Ebene. Einzig wünscht man sich, man würde mehr über sie erfahren, denn selbst ihre Namen werden erst am Ende wirklich genannt.

Kein "Job" wie jeder andere

Unschlüssig bleibt die Meinung über den Protagonisten selbst. Während Schauder den jungen Afro-Amerikaner als "neugierig" bezeichnet und ihm ein "gesundes Maß an Selbstkritik, Scharfsinn" sowie einen "entwaffnenden Sinn für Humor" zuschreibt, ist es gerade diese lockere und humorvolle Fassade, die einen oft daran hindert, Kevin Sheppards wahre Gedanken zu erkennen.

Fühlt er sich wohl und sicher? Befremden ihn die ungewohnten Sitten, beängstigt ihn die allgegenwärtige US-feindliche Propaganda an Hauswänden und Anzeigentafeln? In Einzelinterviews gibt er sich reflektiert, erlebt man ihn in Alltagssituationen, erscheint sein oberflächliches und lautes Verhalten jedoch fehl am Platz.

Kevin Sheppard besucht gemeinsam mit seinen drei iranischen Freundinnen Persepolis; Copyright: www.theiranjob.com
Ungewöhnliche Freundschaft: Die drei jungen Iranerinnen Hilda, Elaheh und Laleh ermöglichen Kevin einen tieferen Einblick in Alltagsleben, Tradition und Kultur des Iran und verwandeln zudem sein Wohnzimmer in einen Ort offener Diskussion über Politik, Religion und Geschlechterrollen.

​​Dennoch hat ihn seine Zeit im Iran zweifelsohne bewegt – der "Iran Job" war kein Job wie jeder andere. Er kehrt für zwei weitere Spielsaisons nach Shiraz zurück und bleibt auch weiterhin in Kontakt mit seinen Freunden dort. Ihr Schicksal berührt ihn, und er sorgt sich um das Land, das nach dem Aufstand im Sommer 2009 zunächst im Chaos zu versinken droht.

Es sind schließlich die weltbekannten Bilder vom Tod der jungen Iranerin Neda, erschossen auf einer Protestaktion gegen die iranische Regierung im Juni 2009, die Kevin zu folgender wichtigen Erkenntnis führen: "Es bewegte mich nicht, weil ich diese junge Frau gekannt hatte, sondern wegen der drei Mädchen aus Shiraz. Es hätte auch eine von ihnen sein können. Das war der Punkt an dem ich realisierte: Das hier ist größer als Basketball."

Kinostart in Deutschland am 21. Februar 2013

Laura Overmeyer

© Qantara.de 2013

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de