Die Ägyptenreise des Papstes: Ein diplomatischer Drahtseilakt

Einem mehrfachen Drahtseilakt glich der Besuch des Papstes Ende vergangener Woche in Ägypten: Die Menschenrechtslage unter Präsident al-Sisi gilt als problematisch, der Dialog zwischen dem Vatikan und der Al-Azhar-Universität belebt sich eben erst wieder zaghaft.

Selbst mit dem bewährten jesuitischen Prinzip von Franziskus, die Stärken hervorzuheben, statt in Meinungsverschiedenheiten zu bohren, war es kein einfacher Gang. Zudem überschattete der Doppelanschlag auf die koptischen Kirchen in Tanta und Alexandria die Visite im Land am Nil. Und doch boten die 45 Toten von Palmsonntag praktisch das blutige Band, das die vier gastgebenden Instanzen - die Regierung, die islamische Hochschule, den koptischen Patriarchen und die katholischen Bischöfe - miteinander verknüpfte.

Erwartungsgemäß sprach Franziskus bei der Friedenskonferenz, die von der sunnitische Al-Azhar-Universität in Kairo ausgerichtet wurde und der formelle Aufhänger der Reise war, ein "deutliches und eindeutiges "Nein" zu jeder Form von Gewalt, Rache und Hass, die im Namen von Religion oder im Namen Gottes begangen werden". Die Verantwortlichen in den Glaubensgemeinschaften müssten vermeintlich religiöse Begründungen für Gewalt demaskieren, verlangte er.

Auch der Hausherr der Al-Azhar, Großscheich Ahmad al-Tayyeb, rief dazu auf, Religion von einem falschen Verständnis zu reinigen. Zugleich wandte er sich gegen eine Verunglimpfung des Islam. Man könne diesen nicht für die Taten einer fanatischen Minderheit haftbar machen; "Islam ist keine Religion des Terrorismus", bekräftigte al-Tayyeb. Der Papst wiederum hob hervor, ohne Bildung könne es keinen Frieden geben - und zwar eine Bildung, die der Natur des Menschen als offenes Wesen entspricht, die Tradition und Gegenwart durch eine "entsprechende Hermeneutik" in Dialog bringe und keine Furcht vor Erkenntnis habe. Darin konnte man den Wunsch nach einem aufgeklärten Islam hören.

In seiner Rede vor Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft würdigte Franziskus auffallend breit die Soldaten und Polizisten, die durch Anschläge oder im Kampf gegen Islamisten ihr Leben verloren. Auch der Hinweis auf die Flucht von Christen aus dem Nordsinai war weniger Kritik an staatlichem Schutz als vielmehr eine Bestärkung für einen harten Kurs des Präsidenten gegen Islamismus.

Der Papst selbst verwahrte sich aber gegen die Deutung, er habe Präsident Abdel Fattah al-Sisi pauschal unterstützt. Auf dem Rückflug betonte er vor Journalisten, auf je für sich gültige Werte hingewiesen zu haben. Neben Entwicklung, Wohlstand und Frieden, für die sich, wie er in der Rede sagte, "jedes Opfer lohnt", nannte er eben auch "bedingungslosen Respekt vor den unveräußerlichen Menschenrechten wie die Gleichheit aller Bürger sowie die Religions- und Meinungsfreiheit ohne jeden Unterschied".

Anlässe zu einem offenen Dissens hätte es nichtsdestoweniger gegeben. Einen Tag vor Ankunft des Papstes hatte al-Sisi ein Gesetz ratifiziert, das dem Präsidenten mehr Einfluss auf die Besetzung hoher Justizposten gibt. Aus Sicht von Richterverbänden schränkt es die Unabhängigkeit der Justiz ein. Am Sonntag bestätigte ein Kairoer Gericht die Todesstrafe gegen den Salafisten-Prediger Wagdy Ghoneim, nachdem der ägyptische Großmufti seine Billigung erteilt hatte.

An die Gewaltopfer in der koptischen Gemeinschaft knüpfte Franziskus an, um kirchliche Verbundenheit zu zeigen: "Eure Leiden sind auch unsere Leiden", sagte er bei einem Treffen mit Patriarch Tawadros II. Laut dem Ökumene-Papier, das der Papst und der Patriarch unterzeichneten, sind beide Kirchen noch meilenweit voneinander entfernt. Vielleicht betonte Franziskus deshalb umso stärker, der Weg zur Einheit der Kirchen werde "auf geheimnisvolle und mehr den je aktuelle Weise auch von einer regelrechten Ökumene des Blutes getragen".

Auch die Begegnung des Papstes mit katholischen Bischöfen, Klerikern und Ordensleuten in Ägypten war von diesem ernsten Ton getragen. Sie, die Seelsorger einer Minderheit innerhalb der christlichen Minderheit, vollbrächten wohl täglich viel Gutes, sagte er; aber die Härten sind unübersehbar. "Wer vor dem Kreuz wegläuft, läuft vor der Auferstehung weg." - Mehr Trost konnte Franziskus letztlich nicht bieten. (KNA)

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