Deutsch-israelischer Eklat: Jetzt soll Steinmeier es richten

Es ist zwar nicht das erste Mal, dass ein deutscher Außenminister in Jerusalem einen Korb bekommt. So viel Porzellan wie beim Antrittsbesuch Gabriels in Israel wurde aber noch nie zerschlagen. Von Michael Fischer

Wie bekommt man das jetzt wieder gekittet?

Außenminister Sigmar Gabriel hat den ersten diplomatischen Eklat seiner erst dreimonatigen Amtszeit relativ gelassen kommentiert. «Mein Verhältnis zu Israel und das Verhältnis Deutschlands zu Israel wird sich jetzt in keiner Weise dadurch ändern», sagte er, nachdem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstag einen Termin mit ihm abgesagt hatte - wegen einer anderen Verabredung Gabriels mit Regierungskritikern.  Nach einem in dieser Form beispiellosen Vorgang wird man aber kaum einfach so zur Tagesordnung zurückkehren können. Reparaturarbeiten am deutsch-israelischen Verhältnis sind notwendig. Und da gibt es jemanden, der das Handwerk der Krisendiplomatie beherrscht wie kein anderer in Deutschland: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er könnte die deutsch-israelischen Beziehungen bei einem Besuch Anfang Mai wieder ins Lot bringen.

Was macht die deutsch-israelischen Beziehungen so besonders?

Die deutsche Verantwortung für den Holocaust. Deutschland fühlt sich deshalb dem Existenzrecht und der Sicherheit Israels ganz besonders verpflichtet. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Verpflichtung zur Staatsräson erklärt. Deswegen subventioniert die Bundesregierung beispielsweise Rüstungslieferungen an Israel, obwohl solche Exporte in Krisengebiete eigentlich untersagt sind.

Was macht den Eklat so besonders?

Dass der Konflikt auf offener Bühne und mit offenem Visier ausgetragen wird. Netanjahu hat sich noch nicht einmal Mühe gegeben, den Grund für die Terminabsage diplomatisch zu verschleiern. Im Normalfall wäre das Problem vor dem Besuch ausgeräumt worden.

Gab es Versuche der Deeskalation?

Die gab es auf allen Ebenen, sie hatten aber keine Wirkung. Im Gegenteil: Der Konflikt setzte sich nach der Absage fort. Israelische Medien berichteten, Gabriel habe anschließend ein Telefonat mit Netanjahu verweigert. Von deutscher Seite wird das dementiert. All das deutet darauf hin, dass es in den Gesprächen rund um die Terminabsage sehr konfrontativ zwischen beiden Seiten zuging.

Waren die deutsch-israelischen Beziehungen schon vorher angeschlagen?

Ja. Die Bundesregierung hat ein israelisches Gesetz zur Legalisierung jüdischer Siedlerwohnungen auf palästinensischem Gebiet nach der Verabschiedung im Februar ungewöhnlich scharf kritisiert. Danach verschob Bundeskanzlerin Angela Merkel die für Mai geplanten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen. Es gibt Spekulationen, dass der jetzige Eklat eine Retourkutsche ist.

Wie steht Merkel zu dem Eklat?

Sie steht voll und ganz hinter Gabriel. Die Kanzlerin bedauere die Absage, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch: «In einer Demokratie sollte es für ausländische Besucher ohne Probleme möglich sein, mit kritischen Vertretern der Zivilgesellschaft zu sprechen.» Wie geht es weiter? Die Antwort Gabriels ist ganz einfach: «Es wird eine nächste Gelegenheit geben, sich zu treffen.» Dass die sehr bald kommt, ist aber eher unwahrscheinlich. Da müssen wohl erst einmal andere ran.

Wer denn?

Gabriels Vorgänger. Bundespräsident Steinmeier reist mit seiner Frau Elke Büdenbender vom 6. bis 9. Mai nach Israel und in die Palästinensischen Gebiete. Er will dort die Präsidenten Reuven Rivlin und Mahmud Abbas treffen. Und er will - wie Gabriel - mit «Vertretern der Zivilgesellschaft» reden. Jetzt wird es darauf ankommen, wer dabei ist. Das wird sich erst kurz vor der Reise endgültig klären.

Werden die umstrittenen Organisationen Breaking the Silence und Betselem dabei sein?

Das sind die beiden Organisationen, wegen denen Netanjahu sein Treffen mit Gabriel abgesagt hat. Würde jetzt auch Steinmeier sie einladen, würde die israelische Seite das wahrscheinlich als Provokation werten. Also: eher unwahrscheinlich. Andererseits: Bundespräsident Joachim Gauck hatte 2012 denselben Vertreter von Breaking the Silence bei einem Empfang in Israel getroffen, der jetzt auch in der Diskussionsrunde mit Gabriel dabei war.

Wird Steinmeier Netanjahu treffen? Ein solches Treffen gehört zum klassischen Programm eines solchen Antrittsbesuchs. Nach dem Eklat dürfte dieses Treffen ins Zentrum des Steinmeier-Besuchs rücken.

Ist der Eklat wirklich einzigartig? In dieser Form schon. So etwas ähnliches hat es aber schon einmal gegeben. 1999 sagte der israelische Außenminister Ariel Scharon einen Termin mit seinem neuen deutschen Amtskollegen Joschka Fischer kurzfristig ab. Schon damals gab es Streit um die jüdischen Siedlungen in den Palästinensergebieten. Die israelische Regierung empörte sich gerade über das «ungeheuerliche» europäische Stimmverhalten bei einem UN-Beschluss dazu.

Was war damals anders?

Scharon stieß seinen Gast nicht so vor den Kopf, wie es Netanjahu jetzt mit Gabriel tat. Er begründete seine Absage mit einer Beinverletzung und dem Rat seiner Ärzte, lieber zu Hause zu bleiben. Netanjahu war aber auch damals schon als Ministerpräsident mit von der Partie. Er verschob seinen Termin mit Fischer um mehrere Stunden auf einen Zeitpunkt, an dem der Gast aus Deutschland eigentlich den palästinensischen Gazastreifen besuchen wollte.

Welche Folgen hatte der missratene Antrittsbesuch Fischers?

Keine negativen. Im Gegenteil: Fischer wurde 2001 - eher zufällig - zum Vermittler im Nahost-Konflikt, weil er zum Zeitpunkt eines Anschlags auf eine Diskothek in Tel Aviv war. Das Nahost-Thema wurde zum wichtigsten seiner siebenjährigen Amtszeit. Es besteht also Hoffnung, dass auch zwischen Gabriel und Netanjahu wieder alles gut wird. (dpa)