Der mächtigste Imam der Welt - Scheich Ahmed Mohammed al-Tayyeb kommt nach Deutschland

In dieser Woche kommt der ägyptische Groß-Imam Ahmed Mohammed al-Tayyeb nach Deutschland. Als Imam der Al-Azhar-Institution hat sein Wort Gewicht in der ganzen muslimisch-sunnitischen Welt. Er gilt als tolerant. Von Mey Dudin

Gibt es in Ägypten etwas zu feiern, sind die religiösen Würdenträger dabei. Bei einer Flugschau zum Jahrestag eines ägyptisch-israelischen Krieges oder bei der Eröffnung des neuen Suezkanals sitzen unter den Ehrengästen - nebeneinander – der Koptenpapst Tawadros II und der Groß-Imam der sunnitischen Institution Al-Azhar, Scheich Ahmed Mohammed al-Tayyeb.

Der eine repräsentiert die geschätzt acht Millionen orthodoxen Christen in Ägypten, der andere die rund 80 Millionen Sunniten des Landes am Nil. Al-Tayyebs Einfluss reicht aber weit über Ägypten hinaus, denn Al-Azhar («Die Leuchtende») gilt als höchste Autorität im sunnitischen Islam, dem nach Schätzungen 85 bis 90 Prozent der rund 1,6 Milliarden Muslime weltweit angehören.

Zu Al-Azhar gehören eine Moschee und eine Universität. 1961 stellte Präsident Gamal Abdel Nasser die Einrichtung unter staatliche Kontrolle und ließ Fakultäten eröffnen, die nichts mit Religion zu tun hatten. Bis heute wird der Groß-Imam auf Lebenszeit vom Präsidenten ernannt. Kritiker sahen in Al-Azhar fortan ein Werkzeug des Machthabers in Kairo zur religiösen Legitimierung seiner Politik. Bei der Erstellung islamischer Rechtsgutachten (Fatwa) bekam die Institution zunehmend Konkurrenz von oppositionellen Islamisten.

Gegründet wurde die Moschee im 10. Jahrhundert. Nicht von Sunniten, sondern von schiitischen Fatimiden. Ein Fakt, den die Ägypter bis heute nicht vergessen haben. So warnen Salafisten eindringlich davor, schiitische Iraner als Urlauber ins Land zu lassen, weil diese ihrer Meinung nach nur eines wollen: die historische Institution zurückerobern.

Der derzeitige Groß-Imam Al-Tayyeb (70) ist im Jahr 2010 vom damaligen Staatspräsidenten Husni Mubarak berufen worden. Der Theologe und Philosoph, der früher unter anderem auch im saudi-arabischen Riad, in Islamabad und in Paris wissenschaftlich gearbeitet hat, gilt als ruhig und moderat. Er sieht es als seine Aufgabe, die tolerante Seite des Islams zu präsentieren. Er fordert Respekt gegenüber Nicht-Muslimen und steht für Glaubensfreiheit ein.

Zum Koptenpapst hat er regelmäßig Kontakt. Als vor gut einem Jahr 21 ägyptische Christen von der Terrororganisation «Islamischer Staat» an einem Strand in Libyen getötet wurden, besuchte der Groß-Imam die zentrale Trauerfeier in der Kairoer Markuskathedrale und sprach dem Kirchenoberhaupt sein Beileid aus.

Als wenige Monate nach seiner Ernennung der «Arabische Frühling» ausbrach und Langzeitmachthaber Mubarak gestürzt wurde, hielt sich der Groß-Imam zunächst mit politischen Äußerungen zurück, missbilligte die gewalttätigen Proteste aber eher. Nach dem Umsturz aber wurden Repräsentanten und Studenten Al-Azhars aktiver, beteiligten sich an Demonstrationen und mischten sich sichtbar in die Debatten zur Zukunft Ägyptens ein. Ein großer Teil der Studenten unterstützte die islamistische Muslimbruderschaft, die die ersten freien Wahlen für sich entschied, und den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi. Al-Azhar hoffte, nach Jahrzehnten staatlicher Kontrolle wieder unabhängiger zu werden.

Als Mursi ein Jahr nach Amtsantritt vom Militär gestürzt wurde, kam es auch auf dem Universitätscampus zu tödlichen Krawallen. Doch während sich viele Studenten mit den nun verbotenen Islamisten solidarisierten, stellte sich die Führung Al-Azhars auf die Seite des damaligen Armeechefs und heutigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, in dem sie einen Garant für Stabilität in Ägypten sah. In jener Zeit büßte die Institution erneut an Glaubwürdigkeit ein.

Heute nimmt Al-Sisi die ehrwürdige Al-Azhar in die Pflicht. Er fordert deren Repräsentanten auf, den religiösen Diskurs im Islam zu erneuern, ihn von «fehlerhaften Ideen» zu befreien, die zum Terrorismus führten. Der Machthaber in Kairo ist überzeugt: Die einzigen, denen dies gelingen kann, sind die Gelehrten von Al-Azhar.

Al-Tayyeb, spricht an diesem Dienstag in Berlin vor Bundestagsabgeordneten, Vertretern der Religionsgemeinschaften und Wissenschaftlern über das «Friedenspotenzial des Islams». Am Mittwoch und Donnerstag wird er auf Einladung von Stadt und Universität Münster besuchen. Dass der Groß-Imam am Samstag in Rom von Papst Franziskus empfangen wird, hat der Vatikan bislang nicht bestätigt. (epd)

Der ägyptische Groß-Imam Ahmed Mohammed al-Tayyeb im Qantara-Interview