Der lange Weg zum Putin-Frieden - die Gewalt in Syrien geht weiter

Kremlchef Putin sieht das Ende des russischen Militäreinsatzes in Syrien kommen. Doch eine stabile Nachkriegsordnung zeichnet sich nicht ab - und damit auch keine Rückkehr von Millionen Flüchtlingen. Von Jan Kuhlmann

Wie eine innige Umarmung sah es nicht aus, aber immerhin, die beiden Männer lagen sich einen kurzen Moment in den Armen. Syriens Präsident Baschar al-Assad strahlte geradezu, als er Anfang letzter Woche im russischen Badeort Sotschi überraschend Kremlchef Wladimir Putin traf. Und tatsächlich hatte der Machthaber aus Damaskus Grund zur Freude. Denn dieser Besuch führte aller Welt einmal mehr vor Augen, dass Assad mit Putin einen mächtigen Verbündeten an der Seite weiß, der sein Überleben sichert.

Mit militärischer Hilfe aus Russland und dem Iran ist es Syriens Staatschef in fast sieben Jahren Bürgerkrieg gelungen, an der Macht zu bleiben. Mittlerweile haben die Regierungstruppen zentrale Gebiete des Landes wieder unter Kontrolle, darunter alle wichtigen Städte. Die Rebellen stellen längst keine ernsthafte Gefahr mehr für die Machtelite des Landes dar. Auch die gefürchtete Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist in Syrien militärisch fast besiegt.

Putin scheint nun entschlossen, den Kriegseinsatz seines Landes abzuschließen, und zwar möglichst bald. Generalstabschef Waleri Gerassimow stellte zum Jahresende eine weitreichende Truppenreduzierung in Aussicht. Seit mehr als zwei Jahren fliegen russische Jets in dem Bürgerkriegsland Luftangriffe gegen moderatere Rebellen und Extremisten, eine teure Intervention und ermüdende Last, die Moskau nach Einschätzung von Beobachtern gerne loswerden würde. Beim Treffen mit Assad in Sotschi verkündete Putin deshalb, es gehe jetzt darum, einen politischen Prozess einzuleiten.

Um dieses Ziel zu erreichen, will Russland gemeinsam mit dem Iran und der Türkei, dem wichtigsten Unterstützer der Opposition, in Sotschi einen «Kongress der Völker Syriens» einberufen. Auf ihm soll es um die Nachkriegsordnung gehen. Wie, wann und vor allem mit wem das Treffen stattfinden soll, ist nebulös. Überhaupt zeichnet sich trotz Putins Worten noch keine politische Lösung und damit auch kein Ende des Konfliktes ab. Stattdessen gibt es viele Fragezeichen.

Entsteht etwa mit dem Volkskongress eine von Russland dominierte Konkurrenzveranstaltung zu den Genfer Friedensgesprächen unter UN-Vermittlung? Diese sollen am Dienstag weitergehen. Vertreter der Regierung und der Opposition treffen sich dort zur mittlerweile achten Runde. Bisher blieben alle Gespräche in der Schweiz praktisch ohne Annäherung der verfeindeten Parteien.

Trotzdem wollen vor allem Regierungen im Westen, dass die Vereinten Nationen bei einem politischen Prozess eine führende Rolle einnehmen. Nur sie etwa könnten dafür sorgen, dass eventuelle Wahlen in Syrien tatsächlich annähernd frei abgehalten würden.

Umstritten ist auch die weitere Beteiligung der Kurden im Norden Syriens, die bislang von allen offiziellen Friedensgesprächen ausgeschlossen waren. Die Kurdenmiliz YPG kontrolliert jedoch an der Grenze zur Türkei ein großes Gebiet, in dem die lange Zeit unterdrückten Kurden eine «Selbstverwaltung» errichtet haben. Diese sind längst ein einflussreicher Akteur, der nicht übergangen werden kann, zumal als wichtiger Partner des Westens im Anti-IS-Kampf.

Putin hätte die Kurden gerne beim syrischen Volkskongress dabei, stößt aber auf Widerstand der Türkei. Die Regierung in Ankara sieht in der YPG einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und bekämpft sie deshalb. Hier droht eine neue Eskalation.

Im Vergleich zu früheren Jahren ist die Gewalt zurückgegangen. Doch trotz mehrerer von Russland, dem Iran und der Türkei eingerichteten «Deeskalationzonen» sterben täglich Menschen, Jets fliegen Angriffe. Mindestens zweimal fielen in diesem Jahr Bomben mit Saringas, wofür UN-Menschenrechtler die Regierung verantwortlich machen.

Überhaupt lassen sich noch keine Konturen einer stabilen Nachkriegsordnung erkennen. Auch wenn Assads Truppen Gebiete zurückgewonnen haben, kontrollieren sie nicht mehr als rund zwei Drittel des Staatsgebietes. Die unzähligen Geheimdienste arbeiten weiter, Zehntausende Menschen bleiben in Gefängnissen verschollen.

Bei allen bisherigen Verhandlungen machte die Regierung, die von der religiösen Minderheit der Alawiten dominiert wird, zudem nicht den Eindruck, als sei sie bereit, auch nur ein kleines Stück ihrer Macht abzugeben. Die Opposition wiederum beharrt darauf, dass Assad und die wichtigsten Figuren der Regierung spätestens am Beginn einer politischen Übergangsphase abtreten.

So ist Syrien weiterhin weit davon entfernt, ein sicheres und stabiles Land zu werden. Nach fast sieben Jahren Bürgerkrieg ist zudem die Infrastruktur massiv zerstört. Große Teile der einstigen Handelsmetropole Aleppo liegen auch ein Jahr nach ihrer Eroberung durch die Assad-Anhänger in Trümmern. Der finanziell ausgelaugten Regierung fehlt das Geld für den Milliarden teuren Wiederaufbau. Damit dürfte auch der Anreiz für die mehr als fünf Millionen Flüchtlinge im Ausland gering sein, nach Syrien zurückzukehren. (dpa)

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