«Der Hodscha und die Piepenkötter»: ARD zeigt Toleranzkomödie um den Bau einer Moschee

Der TV-Film «Der Hodscha und die Piepenkötter» wirft sich in die Klischees rund um religiösen Fundamentalismus und kleingeistige Ressentiments. Die Komödie trifft in den heutigen Toleranz-Debatten einen Nerv. Von Tim Slagman

Lautringen ist eine deutsche Kleinstadt – überschaubar wolkenkratzerfrei, durchsetzt von grünen Hügeln, angeschmiegt an einen Fluss, mittelgroße Fabrikschornsteine, mittelgroße Geschäfte, eingefangen in satten, sommerlichen, ja friedvollen Farben. Lautringen gibt es nicht. Und doch ist das Städtchen, so suggeriert es das Drehbuch von Gernot Gricksch nach dem Roman von Birand Bingül, überall.

Der WDR-Moderator Bingül, dessen Werk «Der Hodscha und die Piepenkötter» nun im Auftrag des WDR verfilmt wurde, hat einen exemplarischen, bewusst unspezifischen Ort gewählt, um dort einen aktuellen gesellschaftspolitischen Konflikt komödiantisch zu verhandeln: Eine neue Moschee soll gebaut werden, viele der nichtmuslimischen Bürger sind dagegen. Für die Bürgermeisterin Ursel Piepenkötter (Anna Stieblich) gilt das eigentlich nicht, doch sie lässt sich von ihrem innerparteilichen Konkurrenten Dr. Schadt (Fabian Busch) in die Enge treiben. Die ARD zeigt die Culture-Clash-Komödie am Mittwoch um 20.15 Uhr.

Weil Schadt bei einer Kandidatur wohl in der Lage wäre, die Ressentiments vieler Wähler zu mobilisieren, muss Piepenkötter ihm den Wind aus den Segeln nehmen. Und so lässt sie sich ein auf ein bürokratisches Tauziehen mit der Baubehörde einerseits und ein chaotisch-zwischemenschliches Gestichel mit Nuri Hodscha (Hilmi Sözer), dem neuen Geistlichen der türkischen Gemeinde Lautringens, andererseits.

Dessen Dilemma spiegelt das von Piepenkötter: Sein Fanatiker ist der fundamentalistische Osman (Hasan Ali Mete). Der ist nicht nur vom ansäkularisierten Lebensstil seines neuen Chefs und erklärten Bruce-Springsteen-Fans einigermaßen entsetzt; er sähe sich auch aus ganz egoistischen Gründen gerne in dessen Position. Und so muss der Hodscha zur Piepenkötter, wo ihm Schweineöhrchen serviert werden, während die Teenager-Kids der beiden einander näherkommen, die Hardliner ihrer jeweiligen Lager an einer Allianz schmieden und der Termin einer großen öffentlichen Diskussion näher rückt, die wesentlich über die Zukunft Lautringens und der Moschee mitentscheiden wird.

Die deutsch-türkische Regisseurin Buket Alakus wendet dabei den Blick nicht vollständig ab von der Gewalt, die in der politischen Rhetorik wie im fanatischen Glauben liegt. Erst fliegen Beleidigungen in Richtung des Hodschas, dann dessen Fäuste - ein Trick, um den bekanntermaßen Heißblütigen zu inkriminieren. Und die unter ihrer Burka komplett verschwundene Ehefrau Osmans huscht derweilen wie ein schwarzer Schatten durch die Bilder. Sie ist eine Geistergestalt, an der Alakus eher das Entmenschlichende dieser Verhüllungspraxis entlarven will als die Hilflosigkeit der Kleinstadtchristen, die ihr unbeholfen begegnen.

Auch weil Osman selbst zur Karikatur gerät, kann die Stimmung in Lautringen bei aller Feindschaft harmlos bleiben und gegen Ende gar ins Versöhnlich-Seichte kippen. Ohnehin sind die Konflikte weitgehend personalisiert. Die gesellschaftlichen Gruppen materialisieren sich hier in wenigen Repräsentanten - eine Methode, die den Schauspielern entsprechend weiten Raum bietet, ihre Figuren zu entfalten.

Bei Stieblich und Sözer, die mal mehr, mal weniger erbitterte Gegenspieler darzustellen haben, fallen vor allem die Gemeinsamkeiten auf: Gegen die schneidigen und stets versteiften Extremisten, von denen sie umgrenzt sind, legen sie Bürgermeisterin und Hodscha als entspannte Diplomaten an, die schon in der lockeren Haltung und Gestik ihre Kompromissbereitschaft ausstrahlen. Wie viel Piepenkötter dabei den regelmäßigen Fußmassagen von ihrem bemitleidenswerten Assistenten Meyer (Eric Klotzsch) verdankt, lässt sich nur erahnen. Jeder braucht halt - auch das gehört zum Tenor dieser so zeitgenössischen Toleranzkomödie - seine ganz private Dosis Springsteen. (KNA)

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