Flirt mit der politischen Rechten

Vor den Präsidentschaftswahlen versuchen Frankreichs konservative Politiker sich mit rechtspopulistischen Tönen in der Einwanderungs- und Integrationsdebatte bei der rechten Wählerschaft Gehör zu verschaffen. Eindrücke von Bernhard Schmid aus Paris

Wenn es gegen Zuwanderer geht, kommen die Sprüche bei einer bestimmten Wählerklientel meist immer gut an: Nach diesem Strickmuster läuft bisher ein Teil des französischen Präsidentschaftswahlkampfs. Wie am letzten Sonntag (11.3.) in den Messehallen von Villepinte, einem Vorort von Paris, wo eine Großveranstaltung für Noch-Präsident und Kandidat Nicolas Sarkozy stattfindet.

Premierminister François Fillon rühmt sich zunächst der Erfolge seiner Regierung im Kampf gegen die Krise, für wirtschaftliche "Reformen" und gegen sogenannte "Blockadekräfte", womit er vor allem die Gewerkschaften meint. Am meisten Applaus aber erhält er, als er gegen das Wahlrecht für Einwanderer auf kommunaler Ebene wettert – ein Wahlrecht, das von der oppositionellen Sozialdemokratie befürwortet wird. Dieses Wahlrecht würde angeblich "den Kommunitarismus stärken", den es zu bekämpfen gelte, polterte Fillon.

nnenminister Claude Guéant; Foto: dpa
Wasser auf die Mühlen der Rechten: Mit seinen Äußerungen zur angeblichen Überlegenheit bestimmter Kulturen hat sich Innenminister Claude Guéant nach Ansicht der Sozialisten zum Sprachrohr des rechtsextremen Front National gemacht.

​​Welche Gruppen vor allem gemeint sind, ist den Anwesenden ebenfalls klar. Denn François Fillon spielt auf eine Idee an, die am ersten Märzwochenende durch seinen Innenminister Claude Guéant ausgesprochen worden war.

Der sorgte für einen Rieseneklat, als er davon sprach, dass "nicht alle Kulturen von gleichem Wert" seien und die seit langem im Land lebenden Ausländer kein kommunales Wahlrecht erhalten dürften – ganz gleich, ob das Gesetzesvorhaben noch im Jahr 2005 von Nicolas Sarkozy befürwortet worden war.

"Halal ist überall"

Dürften die Einwanderer auf lokaler Ebene votieren, "dann werden die von ihnen mitgewählten Bürgermeister überall in den Kantinen 'Halal'-Fleisch vorschreiben", so Guéants düstere Prophezeiungen.

Mit diesen Worten machte der Innenminister unmissverständlich klar, worum es in der einige Tage zuvor losgetretenen Debatte hauptsächlich ging, die sich vordergründig um "Halal"-Fleisch drehte. In Wirklichkeit ging es Guéant mit seiner Polemik nämlich nicht um muslimische Speisevorschriften, sondern vor allem darum, wer seiner Meinung nach "in Frankreich zu Hause ist", wer seine Vorstellungen zum Zusammenleben der Kulturen äußern darf. Und wer nicht.

Am 6. März hatte Nicolas Sarkozy während eines wahlkampfbedingten Abstechers in die Picardie in die Kameras und Mikrofone gesagt, die "Halal"-Debatte sei "die wichtigste Sorge, die derzeit die Franzosen beschäftigt". Eine völlig absurde Behauptung, zumal die Bevölkerung derzeit weitaus wichtigere Themen, wie etwa die Frage nach Arbeitsplätzen, Löhnen und Gehältern beschäftigt.

Öl ins Feuer der Rechten

Vom Zaun gebrochen hatte die aktuelle Debatte die Kandidatin des rechtsextremen "Front National" (FN), Marine Le Pen. Anlässlich einer zweitägigen Wahlkampfveranstaltung, dem "Präsidentschaftskonvent" ihrer Partei in Lille, hatte sie die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen, als sie behauptete, in der Region Ile-de-France, also im Großraum Paris, seien "100 Prozent des gehandelten Fleischs 'halal'".

Marine Le Pen während einer Wahlkampf-Veranstaltung in Marseille; Foto: AP
Nachdem Marine Le Pen eine hitzige Debatte über "Halal"-Fleisch losgetreten hatte, mokierte sich Präsident Sarkozy zunächst noch über die Herausforderin. Inzwischen hat Sarkozy das Thema selbst besetzt und fordert eine für alle Verbraucher transparente Kennzeichnung von "Halal"-Fleischerzeugnissen.

​​Ihre Behauptung stand jedoch auf tönernen Füßen. Denn was die rechtsextreme Politikerin nicht dazu sagte, war, dass zwar alle vier im Raum Paris angesiedelten Schlachthöfe aus Kostengründen das Fleisch für sämtliche Kundenschichten auf dieselbe Weise zubereiten – also gemäß "Halal"-Vorschriften schlachten, weil Nichtmuslimen der Verzehr solchen Fleisches ja nicht vom Glauben her verboten ist, diese vier Schlachthöfe aber nur einen geringen Teil des Bedarfs decken. Denn der Löwenanteil des Fleischkonsums in Paris und Umland wird aus den angrenzenden Regionen eingeführt.

Premierminister François Fillon, der sonst eher als moderater Politiker im Lager der Konservativen bekannt ist, spitzte die Sache im weiteren Verlauf dann sogar noch mehr zu. Er wandte sich offen gegen jüdische wie muslimische Gemeinden und sprach von "alten, übernommenen Traditionen". Und er fragte sich, "ob diese in einer modernen Gesellschaft noch ihren Platz" hätten.

Nicht nur der Zentralrat der französischen Juden CRIF und der muslimische Dachverband CFCM protestierten heftig gegen Fillons Äußerungen. Dies blieb nicht ohne Folgen: Um die Dinge wieder halbwegs ins Lot zu bringen, traf der Premierminister den französischen Oberrabbiner sowie andere Repräsentanten der jüdischen Religion, um die Wogen zumindest halbwegs zu glätten.

Der sozialdemokratische Politiker Benoît Hamon warnte vor einer "unglaublichen Stigmatisierung der Muslime". Sarkozys UMP-Parteifreund und Außenminister Alain Juppé erklärte seinerseits die Polemik zum Thema für "nutzlos", und wollte diese Pseudo-Debatte lieber als beendet sehen. Um das Thema aus dem Wahlkampf bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen am 22. April herauszuhalten, dürfte es allerdings wohl längst zu spät sein.

Bernhard Schmid

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Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de