Debatte um deutsche Planspiele für Militär-Optionen im Syrien-Krieg

Die syrisch-russischen Angriffe auf die letzte Rebellenhochburg Idlib nehmen zu. Soll sich Deutschland im Falle eines weiteren Einsatzes von Chemiewaffen gegen Zivilisten an neuen militärischen Vergeltungsschlägen beteiligen? Planungen sind noch Theorie, bergen aber jede Menge Konfliktstoff.

Das Verteidigungsministerium prüft auf Anfrage der USA militärische Optionen für den Fall eines erneuten Chemiewaffeneinsatzes durch Kräfte des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Im Verteidigungsministerium werde erwogen, sich in diesem Fall an der Allianz der USA sowie Großbritanniens und Frankreichs zu beteiligen, schreibt die «Bild»-Zeitung (Montag). Aus dem Verteidigungsministerium wurde die Prüfung als eine Planungsgrundlage relativiert. Die SPD lehnte aber jegliche Beteiligung der Bundeswehr an Vergeltungsaktionen nach einem möglichen Chemiewaffeneinsatz der syrischen Regierungstruppen ab.

Die USA, Großbritannien und Frankreich hatten im April Ziele in Syrien angegriffen und damit nach eigener Darstellung auf einen Chemiewaffen-Einsatz von Assad im syrischen Bürgerkrieg reagiert. In von der Leyens Haus sei die grundsätzliche Möglichkeit einer deutschen Beteiligung an Vergeltungsangriffen gegen Assad im Falle eines Chemiewaffen-Einsatzes diskutiert worden, berichtete die «Bild». In späteren Gesprächen sei es um Optionen wie Aufklärungsflüge vor einem möglichen Angriff, um eine Schadensanalyse danach sowie um die Teilnahme an möglichen Kampfeinsätzen gegangen.

«Die SPD wird weder in der Regierung noch im Parlament einer Beteiligung Deutschlands am Krieg in Syrien zustimmen», teilte die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles mit. «Wir unterstützen den Außenminister (Heiko Maas, SPD) bei seinem Bemühungen, im Gespräch mit unter anderem der Türkei und Russland, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern.»

Maas äußerte sich zurückhaltend: «Andrea Nahles hat natürlich vollkommen recht, dass die Bundesregierung sich natürlich auf dem Boden des Grundgesetzes und des Völkerrechtes bewegen wird.» Das letzte militärische Eingreifen der USA, Frankreichs und Großbritanniens nach einem mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien hatte Deutschland im Frühjahr zwar politisch unterstützt, sich militärisch aber herausgehalten. Eine Beteiligung wäre auch sowohl verfassungsrechtlich als auch völkerrechtlich nur schwer zu begründen gewesen.

Laut Grundgesetz ist der Einsatz der Bundeswehr im Ausland nur in einem System kollektiver Sicherheit möglich, also etwa innerhalb der Vereinten Nationen, der Nato oder der Europäischen Union. Das traf für das letzte militärische Eingreifen des Westens in Syrien nicht zu. Es war ein Alleingang dreier Länder. Zudem war der Militärschlag vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestags als völkerrechtswidrig eingestuft worden.

Jeder Einsatz müsse mit dem Parlamentsbeteiligungsgesetz in Einklang stehen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. «Wir reden hier über einen sehr hypothetischen Fall», sagte er. «Es ist eine Selbstständlichkeit, dass alle Streitkräfte der Welt planen in Szenarien und müssen das auch tun.»

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: «Die Situation in Syrien, die Situation in Idlib im Speziellen, ist ja so, dass man wirklich große Sorgen haben muss, dass sich dort entsetzliche Muster aus anderen syrischen Kampfschauplätzen wiederholen könnten, und dass hunderttausende Menschen in höchster Gefahr sind.» Über diese Lage werde mit den Verbündeten und Partnern gesprochen.

Die Bilder und Berichte aus Idlib seien schwer erträglich, sagte der verteidigungspolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Henning Otte. «Unzählige Menschen in Idlib leiden unter dem Terror von Assads Bombardements auf die eigene Bevölkerung. Es ist daher wichtig, dass wir alle Handlungsmöglichkeiten prüfen - auch ein militärisches Handeln müssen wir natürlich erwägen», erklärte er.

«Außer Frage steht, dass ein Einsatz von Chemiewaffen in Syrien um jeden Preis verhindert werden muss.» Der grüne Sicherheits- und Haushaltspolitiker Tobias Lindner forderte: «Wenn die Regierung einen solchen Einsatz plant, muss sie vorab den Bundestag um Zustimmung bitten und auch darlegen, wie aus ihrer Sicht dies mit dem Völkerrecht vereinbar ist.» Deutschland müsse alle Möglichkeiten in den Vereinten Nationen nutzen, damit es erst gar nicht zu einem syrischen Chemiewaffeneinsatz komme. (dpa)