Debatte über Ramadan an Schulen

Am Samstag beginnt in diesem Jahr der islamische Fastenmonat Ramadan. Was heißt das für Schüler - und was für die Schule? Antworten auf diese Fragen zu finden, ist gar nicht so leicht.

"Das Gebot des Fastens ist für alle Muslime bindend, die aus Sicht des islamischen Rechts als mündig (mukallaf) angesehen werden können, also erstens geistig gesund und zweitens in die Pubertät eingetreten sind." Dieser Satz aus einer Broschüre des Islamrats über "Fasten in der Schule" sorgte im vergangenen Jahr für Schlagzeilen. Zumal der Islamrat eine allgemeine Befreiung vom Fasten für muslimische Schüler über das Alter von etwa 14 Jahren ausschloss. Es komme auf den "Einzelfall" an.

Eine klare Ansage, die sich mit der Überlieferung des Koran deckt. Und die der Islamrats-Vorsitzende Burhan Kesici vor dem diesjährigen Ramadan, der am Samstag beginnt, noch einmal bekräftigt. Ausnahmen sind laut Sure 2, Vers 185 zulässig, "wenn einer krank ist oder sich auf einer Reise befindet". Hinzu kommen nach gängiger Lesart Kinder unter 14, Schwangere und alte Menschen.

Was aber, wenn schon Grundschüler anfangen, den Tag über auf die Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit zu verzichten? Oder wenn Gymnasiasten bei sommerlichen Temperaturen entkräftet zu ihren Klausuren erscheinen? Es könne sinnvoll sein, "auch jüngere Schüler an das Fasten heranzuführen, indem beispielsweise für einen bestimmten Zeitraum des Tages gefastet wird", sagt Kesici. Und wenn ältere Schüler darauf achteten, nach Sonnenuntergang im Rahmen des gemeinsamen Abendessens "Iftar" genügend zu essen und zu trinken, "sollte es keine Probleme geben".

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sieht das etwas kritischer. "Wir respektieren die Ausübung religiöser Vorschriften", sagt der Bundesvorsitzende Udo Beckmann. "Es ist aber eine Grenze überschritten, wenn die Gesundheit der Kinder und der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule leiden."

Die Schulpflicht gilt auch während des Ramadan, betont Beckmann. "Obwohl die Schulleitung im Einzelfall entscheiden kann, Kinder von einzelnen schulischen Veranstaltungen, etwa einem Sportfest, aus religiösen Gründen zu befreien." Lehrerverbands-Präsident Kraus verweist auf Probleme in der Praxis: "Schule kann wegen der Dichte des Schuljahres weder bei Prüfungsterminen noch im Sportunterricht auf den Ramadan Rücksicht nehmen."

Offen ist, welchen Umfang das Problem überhaupt hat - und ob etwa mit dem Zuzug von Flüchtlingen aus muslimischen Ländern vermehrt Schüler in den Klassenzimmern zwischen Flensburg und Passau während des Ramadan fasten. "Ich kann nicht einschätzen, ob sich deren Zahl verändert oder erhöht hat", sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus. Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht die Lage ähnlich aus. Den VBE erreichten im vergangenen Jahr laut eigenen Angaben vermehrt Anfragen von Grundschullehrern; einzelne Landesverbände halten Broschüren zum Ramadan bereit.

Bernd Ridwan Bauknecht gibt seit 14 Jahren Islamkunde beziehungsweise Islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen. "Meiner Ansicht nach hat sich da wenig verschoben", sagt der Pädagoge. Es gebe allerdings Fälle, wo muslimische Schüler ihre Klassenkameraden gleichen Glaubens kontrollierten. "Manche wollen an einer belegten Zunge erkennen, dass der Betreffende nicht fastet." Wo so etwas passiere, gehe er dazwischen. Das Fasten sei eine persönliche Sache zwischen dem Einzelnen und Gott, so Bauknecht. "Es gibt keinen Zwang im Glauben."

Im Schulalltag rät Bauknecht zu Toleranz - auf beiden Seiten. So ließen sich Schulfeste bei rechtzeitiger Planung vielleicht außerhalb des Ramadan legen. Aber Klassenfahrten etwa könnten muslimische Schüler problemlos mitmachen. "Dann greift ohnehin die im Koran festgehaltene Ausnahme bei Reisen."

Der deutsch-türkische Moscheeverband Ditib wünscht sich, dass die Gesellschaft das Fasten im Ramadan "wohlwollend und verständnisvoll" begleitet. "Selbstbewusste, gläubige Jugendliche sind besser gegen Extremismen und Radikalismus jeglicher Couleur gewappnet", sagt Generalsekretär Bekir Alboga. "Daher appellieren wir, den jungen Menschen den Willen zum Fasten nicht zu verwehren."

Der islamische Theologe Mouhanad Khorchide warb am Dienstag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) um gegenseitiges Verständnis und sprach sich für flexible Lösungen aus. "Fastenden Schülerinnen und Schülern sollte vermittelt werden, dass ihre religiösen Rituale auf Verständnis stoßen und dass unsere plurale Gesellschaft genug Platz für religiöse Vielfalt hat", so der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster.

Der Ramadan beginnt in diesem Jahr am Samstag und dauert bis zum 24. Juni. In dieser Zeit ist Muslimen zwischen dem Beginn der Morgendämmerung und dem Sonnenuntergang Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr untersagt. Mit dem "Iftar", dem gemeinsamen Abendessen, wird das Fasten täglich beendet. Nach allgemeiner Lesart greift das Fastengebot ab dem Alter von etwa 14 Jahren; Kinder sind ebenso wie Alte, Schwangere und Kranke davon ausgenommen.

Khorchide betonte: "Grundsätzlich gilt ein Fastenverbot, wenn der Fastende durch das Fasten Schaden tragen würde." Die Entscheidung für oder gegen das Fasten liege letzten Endes bei jedem Einzelnen. Mit Blick auf Gymnasiasten fügte er hinzu: "Es gibt daher keine allgemeine Festlegung, ob zum Beispiel das Fasten in der Klausurphase zumutbar ist oder nicht." Es gebe Menschen, die konzentrierter denken und arbeiten könnten, wenn sie fasten. "Und bei anderen ist es umgekehrt."

Der Islamrat und der deutsch-türkische Moscheeverband Ditib wiesen darauf hin, dass auch Schüler unter 14 Jahren fasten könnten. Dann sei es jedoch unter Umständen sinnvoll, die betreffenden Kinder langsam an das Thema heranzuführen, "indem beispielsweise für einen bestimmten Zeitraum des Tages gefastet wird", sagte der Vorsitzende des Islamrates, Burhan Kesici. Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga nannte die Teilnahme Jugendlicher am Fasten einen "Ausdruck gelebter Religiosität". Selbstbewusste, gläubige Jugendliche seien "besser gegen Extremismen und Radikalismus jeglicher Couleur gewappnet". (KNA)