Das Terror-Gespenst: Ein Jahr nach Absage des Braunschweiger Karnevals wollen Jecken Zeichen setzen

Wegen einer Terrorwarnung wurde der Karnevalsumzug in Braunschweig im vergangenen Jahr abgesagt. Deshalb lautet das Motto der niedersächsischen Jecken am 7. Februar «Jetzt erst recht». Vorab präsentierten sie ihre Motiv-Wagen. Von Charlotte Morgenthal

Der Terror ist ein grünes Gespenst. Zwischen den Zähnen klemmt eine Dynamitstange, die Zündschnur brennt. Beim Braunschweiger Karneval ist die riesige Figur mit dem Titel «Der Terror trifft uns alle» einer von mehreren Motiv-Wagen, mit dem die Jecken die Absage im vergangenen Jahr aufgreifen.

Damals wurde die Innenstadt eine Stunde vor dem Start des Umzugs wegen einer Terrorwarnung mit islamistischem Hintergrund geräumt. In diesem Jahr hat Norddeutschlands größter Karnevalsumzug das Motto «Jetzt erst recht». Bis zu 250.000 Besucher werden am 7. Februar zum sogenannten «Schoduvel» erwartet.

Mit dem Motiv-Wagen «Fünf Freunde» wollen fünf junge Männer die gelungene Integration in Deutschland darstellen. Für sie wurde eigens ein neues Gefährt gebaut. Eine Frachtkiste mit Paketaufklebern, die ihre Herkunftsländer zeigen: Vietnam, Elfenbeinküste, Polen, Türkei und Deutschland. Gemeinsam haben die Freunde im vergangenen Jahr ihr Abitur gemacht. «Wir wollen uns öffentlich vom Terrorismus distanzieren und für junge Menschen ein Vorbild sein», sagt der 18-jährige Mert Aydin.

Fünf überlebensgroße Karikaturen der Freunde aus Styropor werden den Wagen schmücken. Die Figuren wuchten gemeinsam eine Hantel. An ihren Enden ist eine Weltkugel, die symbolisch nicht nach Nord und Süd, sondern nach Morgen- und Abendland unterteilt ist. Trotz unterschiedlicher Religionen und Herkunftsländer teilten sie gemeinsame Werte, betont Muslim Aydin: «Loyalität und Solidarität spielen bei unserer Freundschaft eine große Rolle.»

Der Braunschweiger Metin Aslan präsentiert derweil einen LKW-Anhänger, der mit unzähligen glitzernden, orientalischen Ornamenten verziert ist. Schiiten, Sunniten, Aleviten und Jesiden werden auf diesem Wagen gemeinsam mitfahren. «Religion soll gerade im 21. Jahrhundert kein Grund für Feindschaften unter Menschen sein», unterstreicht Aslan. Es sei aber schon schwer gewesen, für den Wagen Mitfahrer zu finden, räumt der 61-jährige Alevit ein. Das Gefährt ist nach dem türkischen Wort für Frieden, «Baris», benannt.

Ein Zeichen für Frieden und Toleranz setzt auch der traditionelle Wagen des Zugmarschalls. Erstmals sollen dort Bischöfe der christlichen Kirchen und Vertreter von Judentum und Islam mitfahren. Zu den Teilnehmern auf dem Wagen zählen der evangelische Landesbischof Christopf Meyns aus Braunschweig, der katholische Bischof Norbert Trelle aus Hildesheim, der Vorsitzende des Braunschweiger Rates der Muslime, Hayri Aydin, sowie ein Vertreter jüdischer Gemeinden in Niedersachsen. Symbole der drei Religionen sind auch auf dem diesjährigen Orden des Zugmarschalls abgebildet.

Auch die Polizei will auf die Ereignisse vom vergangenen Jahr reagieren. Unter anderem sollen die Einsatzkräfte verstärkt und die Veranstaltung per Video überwacht werden. Zudem wollen die Beamten über Facebook regelmäßig Hinweise geben, um Gerüchten und Falschmeldungen vorzubeugen. Ein Sprecher mahnte, auf Kostüme mit täuschend echten Waffenattrappen zu verzichten.

Zugmarschall Gerhard Baller trägt bei der Vorstellung der Karnvevalswagen bereits voller Vorfreude seine blau-weiße Tracht. «Die Bilder vom letzten Jahr schaue ich mir nicht mehr an. Ich versuche, sie aus meinem Kopf zu kriegen.» Der «Schoduvel», der sich aus den mittelniederdeutschen Wörtern für Teufel (duvel) und scheuchen (scho) zusammensetzt, sei durch die Erlebnisse politischer geworden. Er wolle die Ideale «Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit» vermitteln. «Diese Ideale verbinden auch die Religionen.»

Schon am Tag der Terrorwarnung hatten viele Muslime ihre Solidarität bekundet. Seitdem bestehe ein enger Kontakt untereinander. «So komisch es auch klingt, nach der Absage sind neue Perspektiven entstanden.» (epd)