Das Gespenst der Kulturrevolution: Chinas rigides Vorgehen gegen Uiguren, Kirgisen und Kasachen

Die kommunistische Führung steht seit jeher im Konflikt mit den islamischen Minderheiten in der Provinz Xinjiang. Seit einigen Monaten verschärft Peking den Kurs. Das Gespenst der Kulturrevolution geht wieder um.

50 Kasachen sind im Laufe der vergangenen Wochen von den chinesischen Behörden in der Provinz Xinjiang festgenommen worden. Ihr Vergehen: Sie hatten sich das Video eines Boxwettkampfs mit dem bekannten kasachischen Boxer Qanat Islam angesehen, wie Radio Free Asia berichtete. Der Film war von der kommunistischen Partei verboten worden. Qanat hatte 2008 bei den Olympischen Sommerspielen in Peking die Bronzemedaille gewonnen. Damals hatte er noch einen chinesischen Pass. 2011 ließ er sich von Kasachstan einbürgern und lebt zurzeit in Florida. Damit war er bei den Chinesen in Ungnade gefallen.

Seit Jahren ist Xinjiang im äußersten Westen Chinas Schauplatz von Auseinandersetzungen zwischen den Behörden und der großteils muslimischen Bevölkerung. Das trifft vor allem die Uiguren, ein Turkvolk, zu dem knapp die Hälfte der 22 Millionen Einwohner in der Provinz zählt und das schon immer in der Region beheimatet war. Sie werden von den Chinesen unterdrückt und in ihren kulturellen und religiösen Freiheiten immer weiter eingeschränkt.

Im vergangenen Herbst mussten alle Uiguren ihre Pässe bei den Behörden abgeben. Wer reisen will, muss seitdem einen Antrag stellen. Im Frühjahr dann wurde ein Gesetz erlassen, das neben dem Schleier und "abnormalen" Bärten auch religiöse Hochzeits- und Beerdigungszeremonien untersagt. Schließlich kam die Anordnung an Eltern, ihren Kindern keine muslimischen Vornamen wie Saddam und Mekka mehr zu geben.

Auch andere Minderheiten wie ethnische Kasachen und Kirgisen geraten immer stärker in den Fokus des kommunistischen Regimes. Nach der Festnahmewelle wegen des Boxkampfvideos folgte in Teilen von Xinjiang die Anordnung, die Verwendung von Büchern und Lehrmaterial zu verbieten, die auf Kasachisch oder Uigurisch verfasst sind. Anfang September war laut Medienberichten ein 36-Jähriger unter nicht geklärten Umständen verstorben, der zu einer Polizeiwache gegangen war, um nach seinen verschwundenen Brüdern zu fragen. Immer wieder werden Kasachen die Pässe weggenommen, weil ihre Familienangehörigen im Ausland leben. Viele junge Leute wollen in Kasachstan studieren, haben jedoch Schwierigkeiten, die dafür nötigen Dokumente von den chinesischen Behörden zu bekommen.

Im Juli wurden 200 uigurische und kasachische Studenten in Ägypten auf Betreiben Chinas festgenommen, weil sie dem Aufruf, nach China zurückzukehren, nicht gefolgt waren. China rechtfertigt sein rigides Vorgehen mit dem Kampf gegen den islamischen Extremismus. Tatsächlich geht es wie in anderen Regionen, denen Peking ein gewisses Maß an Autonomie einräumt, darum, die Kontrolle zu behalten.

Im Falle von Xinjiang, das im Westen an nicht weniger als acht Länder grenzt, darunter Russland, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Indien, kommt hinzu, dass dort die alte Seidenstraße verläuft. Peking will sie mit seiner "Belt-and-Road"-Initiative wiederbeleben. Die Provinz, die ein Sechstel des gesamten chinesischen Staatsgebietes ausmacht, ist also von großer wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung.

Dass ausgerechnet hier ethnische Minderheiten einen Großteil der Bevölkerung stellen, die sich kulturell mehr zu den islamischen zentralasiatischen Staaten als zu China hingezogen fühlen, ist Peking seit jeher ein Dorn im Auge. Anfang des Jahres wurden Umerziehungslager eingerichtet, die offiziell "Bildungszentren" heißen. Inzwischen sind dort mindestens 3.600 Uiguren, Kasachen und Kirgisen interniert, die ins Ausland gereist waren oder sich aus anderen Gründen "verdächtig" gemacht haben.

Wer eine Chance haben will freizukommen, müsse öffentlich bekennen, dass es "ein Fehler" gewesen sei, ins Ausland zu reisen. Die kommunistische Partei habe doch "so hohe Lebensstandards in unserem eigenen Land" geschaffen, ließ der Direktor für öffentliche Sicherheit aus dem Ort Qara Yulghun Radio Free Asia wissen. Er forderte das Eingeständnis: "Wir waren undankbar, als wir entschieden, woanders hinzugehen." (KNA)