Bundesverfassungsgericht kippt pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen

Das Bundesverfassungsgericht hält ein grundsätzliches Kopftuchverbot für Lehrkräfte für nicht vereinbar mit der Religionsfreiheit. Damit korrigiert Karlsruhe seine bisherige Rechtsprechung.

Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen an deutschen Schulen ist rechtswidrig. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verkündete in einer Grundsatzentscheidung, das in den Schulgesetzen mehrerer Bundesländer enthaltene Verbot verstoße gegen die Religionsfreiheit.

Auf Grund von zwei Verfassungsbeschwerden aus Nordrhein-Westfalen entschieden die Richter, dass das allgemeine Kopftuchverbot im Schulgesetz des Bundeslandes "verfassungskonform einzuschränken" sei.

Künftig soll keine abstrakte Gefahr für Neutralität und Schulfrieden mehr für ein Kopftuchverbot ausreichen, vielmehr müsse eine "hinreichend konkrete Gefahr" von den jeweiligen Kopftüchern ausgehen.

Die Verfassungsrichter kippten zudem eine Klausel des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes. Das Privileg für die "Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen" verstoße gegen das Grundgesetz, das Benachteiligungen aus religiösen Gründen verbiete.

In ersten Reaktionen stieß das Urteil auf breite Zustimmung. Der Zentralrat der Muslime bezeichnete den Karlsruher Beschluss als "richtigen Schritt", weil er die Lebenswirklichkeit muslimischer Frauen in Deutschland würdige. "Auch wenn das Urteil keine generelle Erlaubnis für das Kopftuch bedeutet, ist es sehr erfreulich", sagte Zentralrats-Generalsekretärin Nurhan Soykan.

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, erklärte, die Entscheidung stärke die Religionsfreiheit in Deutschland. Pauschale Kopftuchverbote gehörten damit der Vergangenheit an.

Die Schulministerin des betroffenen Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann (Grüne) sagte, sie freue sich sehr über das Urteil. Schließlich sei der Islam Teil einer multireligiösen Gesellschaft. Das Ministerium werde unverzüglich prüfen, welche Konsequenzen aus der Entscheidung zu ziehen seien und erforderliche Änderungen des Schulgesetzes zügig einleiten.

Das höchste deutsche Gericht korrigierte mit dem Beschluss seine bisherige Rechtsprechung. Im Jahr 2003 hatte Karlsruhe im Fall der Stuttgarter Lehrerin Fereshta Ludin entschieden, dass auch vorsorgliche Kopftuchverbote möglich seien, wenn es hierfür eine gesetzliche Grundlage gebe. Viele Bundesländer schufen daraufhin entsprechende Kopftuchverbote in ihren Schulgesetzen. Zurzeit haben acht Länder solche Vorschriften.

Eigentlich wollte das höchste deutsche Gericht die Grundsatzentscheidung zum allgemeinen Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Schulen erst am Freitagvormittag veröffentlichen. Nach einem Bericht der in Berlin erscheinenden "Tageszeitung" (taz) wurde der Kern des Beschlusses durch eine Computerpanne in Karlsruhe aber bereits zuvor bekannt.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte, dass "aufgrund eines internen Versehens" Teile der Pressemitteilung zu den Verfassungsbeschwerden für kurze Zeit einsehbar gewesen seien. Man würde sich "freuen", wenn die inhaltliche Diskussion über diese Entscheidung auf Grundlage der vollständigen Presseerklärung geführt würde, so das Gericht weiter. (dpa, AFP, Reuters, epd)

Mehr zur Kopftuchdebatte in Deutschland bei Qantara.de