Bundesregierung kritisiert Einreiseverbot für ARD-Reporter in die Türkei

«Endstation Istanbul»: Am Flughafen der türkischen Metropole wird ARD-Korrespondent Volker Schwenck überraschend stundenlang festgehalten. Die Gründe dafür bleiben auch nach seiner Rückkehr nach Kairo nebulös. Manche sehen eine Verbindung zum Fall Böhmermann. Einzelheiten von Can Merey

Die Türkei hat dem ARD-Korrespondenten Volker Schwenck die Einreise verweigert und dafür Kritik aus Deutschland geerntet. Der Leiter des ARD-Fernsehstudios in Kairo sei am Dienstag im Flughafen in Istanbul zwölf Stunden festgesetzt worden und erst am Abend wieder in Kairo eingetroffen, sagte ein Sprecher des Südwestrundfunks (SWR).

Schwenck war auf dem Weg zu einer Reportage über Flüchtlinge im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich besorgt, ihr Stellvertreter Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einem «mehr als problematischen Akt».

«Endstation Istanbul. Einreise in Türkei verweigert. Es sei ein Vermerk an meinem Namen. Bin Journalist. Ein Problem?», schrieb Schwenck auf Twitter. Dazu veröffentlichte er ein Foto von dem amtlichen Formular, auf dem ihm sein Einreiseverbot mitgeteilt wurde. Gründe seien ihm zunächst nicht genannt worden, hieß es beim SWR. Schwenck leitet seit mehreren Jahren das ARD-Studio in Kairo.

Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete ebenfalls, gegen Schwenck habe ein Einreiseverbot vorgelegen. Außerdem sei er ausgewiesen worden, hieß es am Dienstagnachmittag. Gründe dafür nannte auch Anadolu nicht.

Schwenck hatte in der Vergangenheit häufiger aus den Rebellengebieten in Nordsyrien berichtet, in die Journalisten in der Regel über die Türkei eingereist sind. Die Türkei hat solche Reisen lange geduldet oder sogar erlaubt, wertet sie inzwischen aber als illegale Grenzübertritte.

In den vergangenen Monaten ist mehreren Journalisten die Einreise in die Türkei verweigert worden. Andere wurden unter anderem wegen illegalen Grenzübertritts von Syrien ausgewiesen. Kanzlerin Merkel sagte am Dienstag in Berlin, das Auswärtige Amt sei in ständigem Kontakt mit allen notwendigen Stellen und setze sich auch dafür ein, dass die Arbeitsfähigkeit des Journalisten schnell wieder hergestellt werde. Die Bundesregierung sehe «natürlich das auch mit gewisser Sorge».

Noch deutlicher äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Gabriel zum Fall Schwenck: «Ich finde das natürlich auch erneut einen mehr als problematischen Akt, dass er in der Türkei keine Bewegungsfreiheit hat», sagte der Vizekanzler am Dienstag während eines Marokko-Besuchs in Rabat. «Ich hoffe sehr, dass die türkische Regierung diesen Fehler schnell korrigiert und ihn nicht etwa ausweist, sondern ihn natürlich weiterreisen lässt. Das wäre die adäquate Antwort auf diesen Vorfall.»

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, Mitarbeiter des deutschen Generalkonsulats seien zum Flughafen gefahren, um Kontakt mit dem Deutschen aufzunehmen. Auch hochrangige Vertreter der Zentrale hätten direkten Kontakt zu ihm gehabt.

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) kritisierte «ein frag- und kritikwürdiges Verständnis von Presse- und Informationsfreiheit» in der Türkei. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) bezeichnete das Einreiseverbot als «Schikane». Nun räche sich «das Entgegenkommen von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Fall Böhmermann gegenüber dem türkischen Präsidenten Erdogan».

Konkrete Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Einreiseverbot für Schwenck und dem Fall Böhmermann gibt es nicht. Das juristische und diplomatische Vorgehen der Türkei gegen den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann wegen dessen Schmähgedichts gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan entfachte hitzige Debatten in Deutschland und sorgte über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner forderte Merkel auf, bei ihrer Türkei-Reise am kommenden Samstag das Thema Pressefreiheit anzusprechen. «Die Festsetzung des ARD-Korrespondenten passt leider in die repressive Politik, welche die Türkei im Hinblick auf die Presse- und Meinungsfreiheit in den letzten Monaten vollzieht.» Auf der vergangenes Jahr veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Rang 149 von 180. (dpa)

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