Bis zu 142 Jahre Haft für Kurdenpolitiker Demirtas in Türkei gefordert

Der kurdische Oppositionspolitiker Selahattin Demirtas soll nach dem Willen der türkischen Staatsanwaltschaft bis zu 142 Jahre in Haft. Für die Ko-Vorsitzende der pro-kurdischen Partei HDP, Fiden Yüksekdag, forderte die Staatsanwaltschaft von Diyarbakir am Dienstag eine Freiheitsstrafe von 83 Jahren, wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Die beiden Politiker sitzen seit November wegen angeblicher Verbindungen zu kurdischen PKK-Rebellen in Haft.

 Die Staatsanwaltschaft der ostanatolischen Stadt Diyarbakir wirft Demirtas vor, die politische Frontorganisation der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu führen, wie Anadolu meldete. Er wird demnach beschuldigt, eine "Terrororganisation zu leiten", "Propaganda zu verbreiten" für die kurdischen Separatisten und "zu Hass und Feindschaft aufzurufen".

Demnach werden die beiden Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP) auch für Demonstrationen gegen die türkische Syrien-Politik im Herbst 2014 verantwortlich gemacht, bei denen es Unruhen mit 31 Toten gegeben hatte. Sie waren Anfang November zusammen mit neun HDP-Abgeordneten festgenommen worden und sitzen seitdem in Haft.

Demirtas, Yüksekdag und die anderen Abgeordneten weisen die gegen sie erhobenen Vorwürfe zurück und bezeichnen das Verfahren als politisch motiviert. Demirtas bezichtigt die Regierung, ihm den Prozess zu machen, weil er sich gegen die Pläne von Präsident Recep Tayyip Erdogan zur Einführung eines Präsidialsystems sperrt.

Die HDP setzt sich seit ihrer Gründung 2012 unter der Führung des charismatischen Demirtas für eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts ein. In der Zeit der Waffenruhe zwischen März 2013 und Juli 2015, als die Regierung Friedensgespräche mit der PKK führte, war die HDP ein gefragter Gesprächspartner für Erdogans islamisch-konservative AKP.

Bei der Parlamentswahl im Juni 2015 gelang der HDP aber erstmals der Einzug ins Parlament, wodurch sich die Machtverhältnisse so verschoben, dass die AKP zum ersten Mal seit 2002 ihre absolute Mehrheit verlor. In den Wochen nach der Wahl eskalierte der Konflikt mit der PKK wieder und die Friedensgespräche brachen zusammen.

Heute ist die HDP im politischen System weitgehend marginalisiert. Nicht nur wird sie von der AKP ausgegrenzt, sondern auch die oppositionelle CHP meidet den Kontakt. Nach einem Anschlag kurdischer Extremisten auf die Polizei in Istanbul am 10. Dezember wurden hunderte Mitglieder der Partei wegen angeblicher PKK-Kontakte festgenommen.

Elf HDP-Abgeordnete sitzen derzeit in Haft und können nicht an der Parlamentsarbeit teilnehmen. Aus Protest boykottiert die HDP die laufende Debatte über die geplante Verfassungsreform zur Einführung eines Präsidialsystems. Durch die Inhaftierung der HDP-Abgeordneten sei die "Debatte und die Abstimmung von Anbeginn kontrovers", erklärte Demirtas vergangene Woche. (AFP)

Mehr Informationen zur Verfassungsänderung und der Einführung eines Präsidalsystems unter Erdogan finden Sie hier.