Mission und Dialog

Bedeutet Missionierung, anderen Menschen den eignen Glauben aufzudrängen? Im Buch "Zeugnis, Einladung, Bekehrung" erkunden muslimische und christliche Theologen gemeinsam, wie Glaubensbezeugung heute angemessen gelebt werden kann. Von Susanne Kappe

Von Susanne Kappe

Sowohl das Christentum als auch der Islam blicken auf eine jahrtausendelange Ausbreitungsgeschichte zurück. Man sollte jedoch keinesfalls der Versuchung erliegen, das Phänomen der christlichen Mission undifferenziert auf den Islam zu übertragen – das machen die Beiträge in dem nun erschienenen Sammelband vom "Theologischen Forum Christentum – Islam", das im März 2010 stattfand, deutlich. In dem von der katholischen Akademie Stuttgart-Rottenburg ins Leben gerufenen Diskussionsforum setzen sich Theologen und Islamwissenschaftler mit Fragen des Verhältnisses von Christentum und Islam auseinander.

Auch wenn sich Misision im Christentum und Islam nicht gleichsetzen lassen, kommt das islamische Konzept da'wa, wörtlich "Einladung" und "Ruf", der christlichen Mission am nächsten. Unter da'wa verstehen die meisten Autoren eine respektvolle Einladung zur Diskussion über Glaubensinhalte und betonen somit die kommunikative, dialogische Dimension. Es gibt allerdings noch einige weitere Konzepte, die mit der christlichen "Mission" vergleichbar sind: So beschreibt tabligh ("Übermittlung"), den Auftrag Gottes, die Menschheit nicht in Unkenntnis über die göttliche Offenbarung zu lassen.

Historische Altlasten

Dem Konzept der christlichen Mission wurde innerhalb des Forums deutlich skeptischer begegnet, was unter anderem der von Missbrauch gezeichneten Missionsgeschichte in der Geschichte des Kolonialismus sowie den missionarischen Absichten von Teilen der Orientalistik geschuldet ist. So herrscht heute unter Muslimen noch immer das Bild von der Mission als einer christlichen Strategie zur Bekehrung aller Andersgläubigen vor.

Der Missionar Erik Jansson in Guarany, Brazilien; Foto: Wikipedia
Missionar Erik Jansson in Guarany, Brasilien: Theologisch gesehen kommt der da'wa im Islam keine annähernd so gewichtige Rolle zu wie der Mission im Christentum, wo sie zu den theologischen Grundprinzipien gehört.

​​Die islamische Expansion im Mittelalter hatte dagegen nicht die Bekehrung der gesamten unterworfenen Bevölkerung zum Ziel. Christen, Juden und Zoroastrier wurden als Schutzbefohlene (dhimmis) in die Gemeinschaft eingegliedert und lediglich zur Abgabe einer Kopfsteuer verpflichtet. Islamische da'wa-Aktivitäten hat es dagegen erst als Reaktion auf derartige christliche Missionsbemühungen ab dem 19. Jahrhundert. gegeben. So hat sich in Indonesien die Muhammadiyya-Bewegung, die einen orthodoxen sunnitischen Islam predigt, in bewusstem Widerstand gegen christliche Einflüsse formiert, allerdings gleichzeitig Methoden sozialer Hilfeleistung der Missionsgesellschaften nachgeahmt. Theologisch gesehen kommt der da'wa im Islam keine annähernd so gewichtige Rolle zu wie der Mission im Christentum, wo sie zu den theologischen Grundprinzipien gehört.

Diese islamische Perspektive hängt teilweise mit der koranischen Behandlung von Juden und Christen zusammen. Es gibt sehr unterschiedliche Passagen im Koran, von denen sich manche äußerst kritisch, manche versöhnlicher mit den so genannten "Schriftbesitzern" beschäftigen. Für den Islamwissenschaftler vom Muslimischen Theologenbund Hüseyin Inam verurteilt der Koran den Absolutheitsanspruch der jüdischen und christlichen Bekenntnisse und ruft vielmehr zu einem aufrichtigen Glauben an den einen Gott auf, ohne den Islam als einzigen Weg zum Heil zu deklarieren. Bülent Ucar, Professor für Religionspädagogik an der Universität Osnabrück, kommt zum Schluss, dass der Koran die Gemeinsamkeiten der Religionen betont und fordert, dass in interreligiösen Diskussionen zurückhaltend und "auf die schönste Weise" gestritten werden soll.

Mission und Dialog – ein Widerspruch?

Die Konversion stellt insbesondere im Islam eine sensible Frage dar, da es gegenwärtig in einigen Ländern mit islamisch geprägter Rechtsordnung Gesetze gibt, die für Apostasie die Todesstrafe auferlegen. Die muslimischen Autoren geben allerdings zu bedenken, dass Konversion in der Frühzeit des Islam eng mit politischem Hochverrat verknüpft war und aus diesem Grund im Koran verurteilt werde. Dort wird allerdings nur auf ein Urteil zum Zeitpunkt des Jüngsten Gerichts verwiesen. Diesseitige Sanktionen seien demnach ungerechtfertigt und entsprächen nicht mehr der heutigen Mainstream-Koranauslegung.

​​Der eigentliche Kern der Brisanz des Themas Mission bzw. da'wa liegt in dem Widerspruch, der sich auf den ersten Blick zu Pluralismus und Dialog ergibt. Der universale Wahrheitsanspruch, der dem Motiv der Mission zugrunde liegt, zielt auf die Nivellierung pluralistischer Glaubensvorstellungen und die Durchsetzung eines einzigen Glaubens, der als allein heilbringend betrachtet wird. Konsequenz in dieser Haltung verhindert einen gleichberechtigten, respektvollen Dialog, schlussfolgert die Sozialpädagogin an der Universität Darmstadt Naime Cakir. Denn es scheint nahezu ausgeschlossen, die Argumente eines Gesprächspartners, den man für fehlgeleitet und des Heils nicht würdig hält, ernst zu nehmen.

Der Band zeigt, wie vielfältig die innerreligiösen Diskurse zum Thema Mission und da'wa bereits unter einer vergleichsweise homogenen Gruppe gebildeter deutschsprachiger Wissenschaftler sind. Diese Diskurse bleiben jedoch häufig der großen Masse der Gläubigen verschlossen, die in den Medien von muslimischen Extremisten lesen, die zum "heiligen Krieg" gegen Ungläubige aufrufen, oder von christlichen Priestern, die den Koran verbrennen. Dass diese Form der Mission unter Theologen längst diskreditiert ist und diese unter Mission bzw. da'wa vielmehr ein Bezeugen des eigenen Glaubens im respektvollen Dialog verstehen, muss erst noch in der Öffentlichkeit ankommen. In dieser Hinsicht leistet der Band einen Beitrag zur Aufklärung über die unterschiedlichen Formen von Mission und da'wa.

Susanne Kappe

© Qantara.de 2011

"Zeugnis, Einladung, Bekehrung. Mission in Christentum und Islam", herausgegeben von Hansjörg Schmid, Ayse Basol-Gürdal, Anja Middelbeck-Varwick, Bülent Ucar. Aus der Reihe "Theologisches Forum Christentum – Islam", Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2011.

Redaktion: Nimet Seker/Lewis Gropp/Qantara.de