Baschar al-Assad taumelt, aber fällt nicht

Seit mehr als vier Jahren tobt in Syrien ein Bürgerkrieg. Das Regime und seine Gegner erhalten massive Hilfe aus dem Ausland.  Von Jan Kuhlmann

Der syrische Machthaber Baschar al-Assad war bislang nicht bekannt dafür, öffentlich die Schwäche seines Regimes einzugestehen. Umso erstaunlicher war vor einigen Wochen seine Rede, die im syrischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde. Ja, räumte der Präsident ein, das Militär habe Schwierigkeiten, neue Soldaten zu rekrutieren. Und ja, seine Truppen hätten sich aus einigen Gebieten zurückziehen müssen, um wichtigere Orte zu halten. Aber nein, das bedeute nicht, dass die syrische Armee vor dem Kollaps stehe.

Selten kam Assad in seinen Reden der Wahrheit so nahe. Nach mehr als vier Jahren Bürgerkrieg zeigt sich sein Militär mehr und mehr ausgelaugt. Immer wieder tauchen Meldungen auf, dass sich Syrer weigern, in der Armee zu dienen. Fast alle wichtigen Schlachten der vergangenen Monate haben die Anhänger des Regimes verloren - im Osten des Landes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), im Norden gegen ein Bündnis verschiedener Rebellengruppen. Wo das Militär eigene Offensiven startet, kann es kaum Gelände zurückgewinnen.

Ein Ende ist nicht in Sicht

Trotzdem zeichnet sich ein Ende der Regierung in Damaskus bislang nicht ab. Auch wenn Assad die Macht über große Teile des Landes verloren haben mag, kontrollieren seine Anhänger noch immer wichtige Städte wie Damaskus, Hama, Homs oder große Teile Aleppos. Dass Assads Regime bislang nicht gestürzt ist, hat er seinen mächtigen Verbündeten zu verdanken. Russland und vor allem der Iran tun alles, um den Zusammenbruch ihres treuen Partners zu verhindern.

Seit Tagen kursieren – vom Kreml dementierte – Meldungen, Moskau habe seine Militärpräsenz in Syrien verstärkt. Teheran unterstützt Assad mit Öllieferungen, Milliarden-Krediten und militärischer Hilfe. An der Seite des Regimes kämpft in Syrien vor allem die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, die mit Geldern aus dem Iran finanziert wird. Kritiker des Atomabkommens mit dem Iran befürchten zudem, dass Teheran seine Unterstützung für Assad mit den zu erwartenden Mehreinnahmen aus dem Ölverkauf verstärken wird.

Hilfe aus dem Ausland erhalten auch Assads Gegner. Saudi-Arabien, Katar und die Türkei unterstützen islamistische Rebellengruppen, die im Norden Syriens einige Gebiete eingenommen haben. So ist der Bürgerkrieg nicht zuletzt das Ergebnis der erbitterten Rivalität zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien.

Je länger der Konflikt dauert, desto mehr Menschen werden fliehen

Ein Ende des Konfliktes ist in dieser Gemengelage so bald nicht zu erwarten. Damit dürfte auch der Exodus von Zehntausenden aus dem Land weitergehen. Nach UN-Angaben sind innerhalb Syriens mehr als 7,5 Millionen Menschen vertrieben worden, weitere vier Millionen sind in den Nachbarländern untergekommen. Sie suchen Schutz vor Zerstörung, Kämpfen und Angriffen der syrischen Luftwaffe, die Zivilisten regelmäßig mit den international geächteten Fassbomben angreift.

Je länger der Konflikt dauert, desto mehr schwindet die Hoffnung der Syrer, eines Tages wieder in ihrer Heimat zu leben. „Viele Menschen haben realisiert, dass ihnen die Situation wahrscheinlich in naher Zukunft keine sichere Rückkehr erlauben wird“, sagt Karolin Eberle vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Beirut. Mehr und mehr Syrer dürften sich stattdessen für eine Flucht Richtung Europa entscheiden.

Beigelegt werden kann der Konflikt womöglich nur durch Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition. UN-Sondervermittler Staffan des Mistura hat dazu vor kurzem einen neuen Plan vorgelegt, der den Weg zu einer Übergangsregierung ebnen soll. Auch die USA und Russland bemühen sich hinter den Kulissen, neue Verhandlungen in Gang zu bringen – bislang aber sind alle Friedensgespräche gescheitert. Sie dürften auch nur dann erfolgreich sein, wenn sich auch der Iran und Saudi-Arabien annähern, worauf de Mistura hofft: „Der Sauerstoff, der den Konflikt am Leben hält, würde verschwinden.“

Sollte das geschwächte Regime weiter an Boden verlieren, könnte sich die Zahl der Flüchtlinge noch einmal dramatisch erhöhen. Seit Monaten versuchen die Rebellen, in die bislang vergleichsweise sichere Küstengegend um die Stadt Latakia vorzudringen. Die Region ist eine Hochburg der Minderheit der Alawiten, der auch Assad angehört.

Würde sich die Lage dort verschärfen, könnten sich viele Syrer zur Flucht gezwungen sehen. Was das bedeuten würde, machte de Mistura vor einigen Tagen in Brüssel deutlich: „Latakia ist eine Hafenstadt, man kann die Boote direkt zu Wasser lassen.“ (dpa)