ARD zeigt preisgekrönten Dokumentarfilm "Glaubenskrieger"

Die Haltung der Islamverbände und konservativer Muslime sorgt seit Monaten für Schlagzeilen. Die Anwältin Seyran Ates etwa muss sich massiver Anfeindungen gegen die von ihr gegründete liberale Berliner Moschee erwehren, in der Frauen und Männer gemeinsam beten. Und zur Demo gegen islamistischen Terror versammelten sich im Juni in Köln rund 3.000 Menschen - sehr viel weniger als von den Initiatoren erhofft. Islamverbände hatten sich jeweils dagegen positioniert.

Hassan Geuad und seine früheren Mitstreiter von "12thMemoRise" dürfte diese Entwicklung nicht verwundern. Mit aufsehenerregenden Aktionen, die im Netz hunderttausendfach angeklickt wurden, bezogen sie immer wieder Stellung gegen Gewalt und Terror sowie gegen die Gräuel des IS. Der Dokumentarfilm "Glaubenskrieger" von Till Schauder porträtiert Hassan, seinen Bruder und seine Gruppe. Der Film ist Gewinner des ARD-Doku-Wettbewerbs "Top of the Docs" 2016. Nach der Premiere auf dem Münchner Dokumentarfilmfestival im Mai strahlt ihn die ARD am kommenden Mittwoch (19. Juli) um 22.45 Uhr aus.

"12thMemoRise" rüttelte Passanten in den Fußgängerzonen in Düsseldorf und Essen in den Jahren 2014 bis 2016 mit spektakulären Aktionen wach. Nach zwei Jahren wurde die Website abgeschaltet. Die Zwölf stehe für die zwölf Stämme Israels, die zwölf Apostel und die zwölf Imame, erklärt Geuad. Der kaum übersetzbare Name der Gruppe sei als Aufruf zu verstehen, sich gegen ein radikales Religionsverständnis zu erheben. Er betont zudem die Gemeinsamkeiten der drei großen monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam.

"Wir wollen die Muslime gegen die Salafisten und Wahhabiten auf die Straße bringen", sagt Geuad. Der Wahhabismus, die in Saudi-Arabien zur Staatsreligion erklärte puristische Ausrichtung des sunnitischen Islam, sei die Inspirationsquelle für viele Fanatiker, die heute unter dem schwarzen Banner des Dschihadismus morden, vergewaltigen und brandschatzen. Die Gruppe wandte sich auch gegen die Koranverteiler von "Lies" in deutschen Fußgängerzonen.

In der Gruppe engagierten sich Schiiten, Sunniten, ein Alevit, zwei Christen, ein Jeside und ein Buddhist. Frauen waren selbstverständlich dabei. Geuad, 25 und Student der Germanistik, kam mit zehn Jahren nach Deutschland, sein Vater erhielt als politisch Verfolgter Asyl. Der Sohn wollte sich weder von Terroristen vereinnahmen lassen, noch sah er sich von den offiziellen Vertretern des Islam in den anerkannten Verbänden vertreten. Diese haben aus seiner Sicht die Gefahren durch den Terror für das Zusammenleben von Deutschen und Migranten in einer demokratischen Gesellschaft zu lange übersehen.

Die vielen Reaktionen auf die Aktionen und Dokumentationen im Netz schienen Geuads Meinung zu bestätigen. Er suchte das Gespräch mit Vertretern der Islamverbände. Dabei prallten die unterschiedlichen Ansichten aufeinander, was schon bei der Finanzierung der Arbeit beginnt. "Wir wollen einen reformierten Islam mit einer deutschen Identität - keinen, der aus dem Ausland, aus Saudi-Arabien, der Türkei oder dem Iran finanziert wird", so Geuad.

Neben Zustimmung schlug der Aktivistengruppe offener Hass in den sozialen Medien entgegen. Nach dem Treffen mit Vertretern der Islamverbände eskalierte die Situation. Ihre Identitäten wurden öffentlich, zum Schutz des eigenen Lebens und ihrer Familien wurde die Gruppe aufgelöst. Geuad mischt sich trotzdem weiter ein.

Regisseur Schauder nutzt umfangreiches Videomaterial der Gruppe und kommt seinen Protagonisten sehr nahe. Dabei lässt er ihnen Zeit und Raum, ihre Motive zu erklären.

Die Dokumentation macht Mut. Sie zeigt der deutschen Mehrheitsgesellschaft den Integrationswillen vieler Migranten und ihre Bereitschaft, sich für Gemeinwohl und friedliches Zusammenleben einzumischen.

Andererseits ermutigt sie Muslime, die ähnlich denken, ihre Passivität aufzugeben. Nebenbei wirft sie einmal mehr die Frage auf, wie die deutschen Islamverbände finanziert werden, welches Selbstverständnis sie haben und ob sie mit ihrer Politik die Mehrheit der Muslime repräsentieren. (KNA)