Arbeiten gegen Vorurteile: Islamprofessorin Maha El Kaisy-Friemuth will «modernes» Denken im Islam fördern

Maha El Kaisy-Friemuth ist eine der wenigen Hochschulprofessorinnen in Deutschland für islamische Studien. In Erlangen will die Wissenschaftlerin vor allem das «moderne» Denken im Islam fördern. Diskussionen sind ihr willkommen.

Sie hat Touristen durch Ägypten geführt und Englisch unterrichtet, spricht vier Sprachen und interessiert sich für Genderfragen. Maha El Kaisy-Friemuth ist eine der wenigen Frauen, die derzeit an einer deutschen Hochschule Islamisch-Religiöse Studien lehren, und sie tut es gern: «Der Islam ist so reich an Wissen und Erfahrungen, da gibt es so viel zu entdecken», sagt El Kaisy-Friemuth.

Seit knapp zwei Jahren ist sie als Professorin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg tätig. «Als ich ankam, hatten wir weder Büros noch Räume für die Lehre», erinnert sich die Forscherin und lacht. Inzwischen verfügt das Department über vier Lehrstühle mit vier Professoren und zwei Nachwuchsgruppenleitern. Die Uni Erlangen ist eine von fünf Universitäten in Deutschland, an denen islamische Theologie und Religionslehre unterrichtet werden. Außerdem können Studierende hier einen Master oder Bachelor abschließen und, ganz neu, auch Islamisch-Religiöse Studien als Zweitfach belegen.

«Unser Studienfach bereitet auf forschungs- und medienorientierte akademische Tätigkeiten vor», erklärt El Kaisy-Friemuth. Neben Arabisch lernen die Studierenden die Glaubens-, Normen- und Methodenlehren des Islam kennen, werden eingeführt in das muslimische Leben, in Kultur und Geschichte verschiedener Regionen. Viele Studierende wollen später als Seelsorger in einer islamischen Gemeinde arbeiten. Zu den Berufsfeldern, die von dem Studium abgedeckt werden, gehören aber auch die Jugendarbeit oder Erwachsenenbildung, das pädagogische Management, Politik, Wirtschaft oder Medien.

El Kaisy-Friemuth hat ihren Schwerpunkt in der Praxis. «Der Islam hat eine Vielzahl von Traditionen, die sich je nach Region unterscheiden: Arabien, Persien, Afghanistan, Türkei oder der Balkan. Ich vermittle die Grundlagen und verbinde sie in meinen Studien mit dem modernen Denken im Islam», erklärt sie.

In ihrer Forschungstätigkeit beschäftigt sie sich vor allem mit den mittelalterlichen Schriften der Rationalisten und deren Erneuerung im 20. Jahrhundert. «Die Denker dieser Zeit haben versucht, den Koran aus einer rationalistischen Sicht heraus zu verstehen», erklärt die Wissenschaftlerin. Die Kraft der Vernunft und des Verstandes hätten den Weg geebnet zu einem modernen Zugang zum Islam. Die Beschäftigung mit dem Rationalismus sei auch deshalb so spannend, weil diese Glaubensschule Wege aufzeige, wie sich der Islam erneuern könne. Ganz davon abgesehen seien die spirituellen Texte auch literarisch schön zu lesen, sagt El Kaisy-Friemuth und lacht wieder.

Die Professorin scheut sich nicht, mit ihren Studierenden über schwierige Themen zu diskutieren - wie etwa die Frage nach der Polygamie in der islamischen Ehe. Bei den entsprechenden Stellen im Koran gehe es rein historisch gesehen vor allem um den Umgang mit Waisenkindern in Kriegszeiten. «Im Prinzip klärt der Koran die Frage nach der Zuständigkeit für diese Kinder», erklärt El Kaisy-Friemuth.

Demnach könne ein Mann zwar eine weitere Frau heiraten, aber nur, wenn den Kindern und der Frau damit mehr Gerechtigkeit widerfahre. Etwas später im Koran werde deutlich, dass ein Mann kaum zwei Frauen gleichzeitig gerecht werden könne.

«Der Koran ist ein Dialog zwischen Mensch und Gott, bei dem der Mensch verschiedene Ratschläge bekommt», sagt El Kaisy-Friemuth. Sinn der Ratschläge sei es, Gerechtigkeit zwischen den Menschen zu schaffen. «Der Koran und der Islam sind keine festgefügte Institution», findet die Hochschulprofessorin. Anders als bei den christlichen Religionen, die über eine Landeskirche oder ein Erzbistum verfügten, sei dem Islam der Gedanke einer Körperschaft fremd. «Jeder muss selbst entscheiden, welchen Weg er geht», erklärt El Kaisy-Friemuth und fügt hinzu: «Aber das finde ich auch so schön am Islam. Wir sind verantwortlich für unser eigenes Denken.» (epd/ Rieke C. Harmsen)

Lesen Sie ein Interview mit Maha El Kaisy-Friemuth bei Qantara.de.