Gegen den schlechten Ruf des Islam

Mit ihrem Buch "Imageproblem. Das Bild vom bösen Islam und meine bunte muslimische Welt" möchte Anja Hilscher gegen die Klischees vom Islam in den Köpfen der Deutschen vorgehen, tappt dabei aber in die Falle, diese erneut abzubilden. Annett Hellwig hat das Buch gelesen.

Von Annett Hellwig

Dass in der deutschen Öffentlichkeit noch Bedarf an Aufklärung über den Islam herrscht, kann wohl kaum ernsthaft bezweifelt werden. Hartnäckige Vorurteile scheinen sich trotz aufklärenden Ansätzen auf breiter Basis zu halten und verhindern oft eine unvoreingenommene Beschäftigung mit diesem Thema.

Einen neuen Beitrag zur Beseitigung dieses "Imageproblems" leistet Anja Hilscher in ihrem gleichnamigen Buch und versucht darin auf humorvolle und unterhaltsame Weise, sich den bestehenden Befangenheiten zu nähern. Die Autorin ist studierte Grund- und Hauptschullehrerin und über die Hälfte ihres Lebens selbst Muslima. Derzeit arbeitet sie als Leiterin von Integrationskursen.

Buchcover Anja Hilscher: Imageproblem. Das Bild vom bösen Islam und meine bunte muslimische Welt; Gütersloher Verlagshaus 2012
Aufräumen mit Vorurteilen und Klischees gegen Muslime: Dem Bild vom "bösen Islam" stellt Anja Hilscher in 20 Buchkapiteln ihren farbenfrohen muslimischen Alltag gegenüber.

​​In 20 Kapiteln erzählt Hilscher über den "echten" Islam und vertritt dabei die Meinung, dieser würde nicht nur von außen, sondern sehr wohl auch von einem großen Teil der Muslime selbst nicht richtig verstanden und umgesetzt werden. Dem Bild vom "bösen Islam" stellt sie ihren farbenfrohen muslimischen Alltag gegenüber.

"Das Paradies – man gönnt sich ja sonst nichts!"

Mit dem Klischee von den zweiundsiebzig Jungfrauen im Paradies wird ebenso aufgeräumt, wie mit dem bedrohlichen Bild der Scharia und der islamischen Rechtssprechung, die nach Ansicht der Autorin vor allem auf "mittelalterliche Theologen mit starkem Hang zum Pharisäertum" fußt. Indem das Buch jedoch gerade diese Vorurteile als Leitfaden benutzt und sich daran entlang aufbaut, entdeckt man als Leser allerdings mitunter Klischees, die man vorher noch gar nicht kannte.

Außerdem erfährt der Leser, sofern er nach einer entsprechenden Warnung auf Seite 19 das Buch noch nicht "in die Ecke gepfeffert" hat, dass im Grunde genommen auch viele fernöstliche und abendländische Philosophien dem Islam gleichkommen und letztendlich ohnehin alle Religionen denselben Gott verehren. Zahlreiche Zitate aus Koran und Hadithsammlungen fließen dabei ein, die Bibel wird zum Vergleich herangezogen und auch Goethe, Lao-Tse und Meister Eckhart kommen zu Wort.

In ihrer sarkastischen Schlagfertigkeit, die nahezu jede Seite des Buches durchzieht, übersieht Anja Hilscher jedoch hin und wieder wichtige Punkte. Manche der Attacken wirken recht überzogen und teilweise ungerechtfertigt.

Alles nur Missverständnisse?

Die Idee, an jedes Kapitel passende Quellenzitate anzuhängen, ist zwar prinzipiell hilfreich, doch ist der Umgang mit den entsprechenden Stellen nicht immer sorgfältig. Auch wäre es wohl sinnvoll gewesen, sich hier und da etwas mehr an verbreitenden Auslegungen zu orientieren oder zumindest den Leser auf diese aufmerksam zu machen.

Mann liest im Koran; Foto: dpa
"Der Koran ist so klar wie ein Kochbuch": In ihrem Buch informiert Hilscher ausführlich über die Grundlagen des Islam, Rituale und moderne Lebenswelten von Muslimen heute und führt dazu Hadithe und Koransuren an.

​​So aber fragt man sich nach dem Lesen des Buches unweigerlich, wie es in einer so friedliebenden und harmoniebetonten Religion zu solchen Auswüchsen, wie Terrorismus und (der doch tatsächlich existierenden) Benachteiligung von Frauen, kommen konnte. Alles Missverständnisse, so die Autorin.

Im Buch wird anekdotenhaft über das respektvolle und vorbildliche Verhältnis des Propheten zu den Frauen berichtet. Das klingt alles ausgesprochen sympathisch. Aber wird damit dann nicht doch etwas schöngeredet?

Was ist zum Beispiel mit dem historischen, patriarchalischen Kontext, in dem der Koran an Muhammad herabgesandt wurde? Auch die im Buch eingangs gestellte Frage nach dem Verhältnis von Religion zu Kultur wird nicht wirklich geklärt. Und wenn alle religiösen und philosophischen Wahrheiten sowieso alle nahezu gleichwertig sind, warum sollte man sich dann noch für den Islam begeistern?

Am Ende entwirft Hilscher in einer "Prognose" ein mystisches Zukunftsbild des derzeit eher "uncoolen" Islam. Sie ist der festen Überzeugung, dass sich eines Tages die Unterschiede zwischen den Weltanschauungen auflösen werden und ein "neuer Islam" entsteht.

Alles in allem ist "Imageproblem" eine kurzweilige Lektüre für diejenigen, die den Islam von seiner freundlichsten Seite kennenlernen wollen und sich dabei nicht von dem mitunter eigenwilligen Humor der Autorin abschrecken lassen.

Annett Hellwig

© Qantara.de 2012

Anja Hilscher: "Imageproblem. Das Bild vom bösen Islam und meine bunte muslimische Welt", Gütersloher Verlagshaus 2012, 160 Seiten

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de