Anies Baswedan: Muslim wird Gouverneur der Megacity Jakarta

Der Posten als Gouverneur von Indonesiens Hauptstadt Jakarta gehört vielleicht nicht unbedingt zu den Ämtern, die man unbedingt haben muss: eine der Megacities dieser Welt, mehr als zehn Millionen Einwohner, stundenlange Staus, katastrophale Zustände bei Kanalisation und Müllabfuhr. Als Rektor einer angesehenen Universität zum Beispiel hat man es um einiges leichter.

Aber Anies Baswedan, einer der renommiertesten Akademiker des 17.500-Inseln-Staates, hat sich trotzdem dafür entschieden. Und die Stichwahl um den Gouverneursposten nun auch gewonnen. Der 47-jährige Vater von vier Kindern, gläubiger Muslim, schlug Amtsinhaber Basuki Tjahaja Purnama, einen Christen mit chinesischen Wurzeln, klar.

Dass die beiden einmal gegeneinander antreten würden, war vor einem Jahr überhaupt noch nicht abzusehen. Beide kommen eigentlich aus demselben politischen Lager um den heutigen Staatschef Joko Widodo. Bei der Präsidentenwahl 2014 war Baswedan dessen Sprecher und Purnama dessen Stellvertreter im Amt des Gouverneurs, wo er ihn beerbte.

Baswedan wurde dann Erziehungsminister unter Widodo. In dieser Zeit kamen Korruptionsvorwürfe gegen ihn auf. Damals ging es um die Zweckentfremdung von Mitteln, die für Indonesiens Auftritt als Gastland der Frankfurter Buchmesse 2015 bestimmt waren. Baswedan wies die Vorwürfe als «politischen Witz» zurück, Belege gab es nicht.

Nach einer Kabinettsumbildung im Juli vergangenen Jahres wechselte er die Seiten, was in Indonesien nicht so ungewöhnlich ist wie anderswo. Im Wahlkampf wurde er nun auch von Ex-General Prabowo Subianto unterstützt, Widodos Gegenkandidaten von 2014. Und auch von Hardlinern aus dem muslimischen Lager.

Im Wahlkampf war Baswedan nur noch in weißem Hemd und mit Peci zu sehen, in Indonesien die traditionelle Kopfbedeckung von Muslimen. Mit dem Vorsitzenden der radikalen Islamischen Verteidigungsfront (FPI), Rizieq Shabib, betete er auch gemeinsam. Dabei gilt der Mann mit westlicher Ausbildung selbst keineswegs als fundamentalistisch.

Nach Studienjahren in Indonesien, Japan und den USA wurde er 2007, mit 38 Jahren erst, Rektor von Jakartas renommierter Paramadina-Universität. Die Hochschule gilt als Bastion des liberalen Islam. Dann gründete er eine Bewegung namens «Teaching for Indonesia» («Unterrichten für Indonesien»), die Lehrer in abgelegene Regionen des bevölkerungsreichsten muslimischen Landes der Welt schickte.

Mehrfach schon fand sich sein Name in den Listen künftiger internationaler Entscheidungsträger. Das US-Magazin «Foreign Policy» zählte ihn schon 2008 zu den 100 wichtigsten Intellektuellen. Spätestens mit dem Sieg bei der Gouverneurswahl gilt Baswedan in seiner Heimat nun auch als möglicher Kandidat für das Präsidentenamt. (dpa)