Amnesty und Pro Asyl: «Algerien, Marokko und Tunesien keine sicheren Herkunftsstaaten»

Menschenrechtsorganisationen haben den Bundestag aufgefordert, die Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko als «sichere Herkunftsstaaten» abzulehnen. Der Bundestag berät an diesem Donnerstag erstmalig über den Vorschlag der Bundesregierung, die drei nordafrikanischen Staaten so einzustufen. Das soll die Bearbeitung der Asylanträge von Menschen aus diesen Staaten verkürzen und eine schnellere Abschiebung ermöglichen.

«Die Bundesregierung ignoriert Berichte über Folter in Marokko und auch die Tatsache, dass homosexuelle Menschen in den Maghreb-Staaten strafrechtlich verfolgt werden», sagte Amnesty-International-Asylreferentin Wiebke Judith der «Frankfurter Rundschau» (Donnerstag). Auch Pro Asyl protestierte: Staaten, in denen gefoltert werde, könne man nicht als sicher bezeichnen, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt der Zeitung. Die unzureichende Menschenrechtssituation in den Maghreb-Staaten werde durch die Einstufung bagatellisiert.

Auch die Oppositionsparteien Grüne und Linke sowie SPD-Politiker wie der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius sehen den Vorstoß kritisch.

Sollte Marokko als sicherer Herkunftsstaat eingestuft werden, würde dies grundsätzlich auch für Bewohner der Westsahara gelten. Die umstrittene Einstufung soll für die Menschen aus der Westsahara angewandt werden, wenn sie die marokkanische Staatsbürgerschaft besitzen, wie es nach Angaben des Bundestagspressedienstes in der Antwort der Regierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen heißt.

Das Gebiet im Süden Marokkos verfügt über einen ungeklärten völkerrechtlichen Status, seitdem es 1975 von Marokko besetzt wurde. "Maßgeblich für die Entscheidung, ob ein Asylbewerber aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, ist grundsätzlich allein die Staatsangehörigkeit des Antragstellers und nicht das Staatsgebiet eine Landes", schrieb die Bundesregierung dazu.

Auf die Haltung der Bundesregierung zum völkerrechtlichen Status der Westsahara habe die Einstufung Marokkos als sicherer Herkunftsstaat keinen Einfluss. Sie setze sich vielmehr unverändert für eine im Konsens mit allen Beteiligten zu findende Lösung ein, betonte die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme.

Das Bundeskabinett hatte den Gesetzentwurf zur Einstufung Marokkos, Algeriens und Tunesiens als sichere Herkunftsländer im Rahmen des Asylpaktes II im Februar beschlossen. Durch diese Maßnahme sollen die Asylverfahren von Flüchtlingen aus diesen Ländern beschleunigt werden. Bislang werden nur wenige Menschen aus diesen Staaten in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt. (dpa/AFP)