Amnesty International: Hinrichtungen in Saudi-Arabien auf neuem Höchststand

Mit den Exekutionen eines Vergewaltigers und zweier Mörder ist die Zahl der Hinrichtungen in Saudi-Arabien in diesem Jahr bereits auf 38 gestiegen. In dem ultrakonservativen islamischen Königreich würden derzeit so viele Menschen hingerichtet wie nie zuvor, beklagte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI). Der Rhythmus sei "ohne Beispiel". Die jüngsten Hinrichtungen seien am Dienstag auf drei verschiedenen öffentlichen Plätzen vollstreckt worden.

In Saudi-Arabien werden Vergewaltigung, Mord, Abkehr von der Religion, Raub und Drogenhandel mit der Todesstrafe geahndet - in Anwendung einer rigorosen Auslegung der Scharia. Nach einer AFP-Zählung wurden seit Jahresbeginn 38 Menschen hingerichtet und damit drei Mal mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Über die Gründe rätseln Experten. Die Zunahme der Exekutionen begann schon vor dem Tod des langjährigen Königs Abdallah vor sechs Wochen. 2014 wurden 87 Menschen hingerichtet, 2010 waren es 27.

Amnesty International warf den westlichen Regierungen vor, den Missbrauch staatlicher Macht in Saudi-Arabien nicht offen anzusprechen und Riad wegen seiner politischen Bedeutung zu schonen. Es werde "mit zweierlei Maß gemessen".

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) reist am kommenden Samstag und Sonntag mit einer deutschen Wirtschaftsdelegation in das Land. Er werde mit der Regierung in Riad auf jeden Fall über Menschenrechte sprechen, sagte er kürzlich im ZDF. Allerdings könne es kontraproduktiv sein, sich "öffentlich zu produzieren".

Unterdessen hat die Journalistenorganisation «Reporter ohne Grenzen» (ROG) Sigmar Gabriel aufgefordert, sich bei seiner bevorstehenden Reise nach Saudi-Arabien für die bedingungslose Freilassung des Bloggers Raif Badawi einzusetzen. «Unverbindliche Appelle hinter verschlossenen Türen reichen nicht», sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske am Mittwoch in Berlin. Angesichts des drohenden Prozesses gegen Badawi mit der Gefahr eines Todesurteils sei diplomatische Zurückhaltung fehl am Platze. Mit einer Regierung, «die so brachial gegen abweichende Stimmen vorgeht, darf es kein 'business as usual' geben», forderte Rediske weiter.

Der Blogger Raif Badawi war im vergangenen September zu zehn Jahren Gefängnis und 1.000 Stockschlägen verurteilt worden. Zudem wurde eine hohe Geldstrafe sowie ein zehnjähriges Ausreiseverbot im Anschluss an seine Haftstrafe verhängt. Die Stockschläge, die ursprünglich in wöchentlichem Abstand mit je 50 Schlägen ausgeführt werden sollten, waren nach dem ersten Mal am 9. Januar wegen der schweren Verletzungen bislang von Woche zu Woche verschoben worden.

Dem Blogger wurden unter anderem kritische Online-Kommentare über die saudische Religionspolizei zur Last gelegt, mit denen er gegen das Gesetz gegen Internetverbrechen verstoßen habe. In saudischen Justizkreisen werde nun erwogen, dem Blogger wegen Abfalls vom islamischen Glauben den Prozess zu machen, teilte ROG weiter mit. Dafür drohe ihm die Todesstrafe durch Enthauptung. Vom selben Vorwurf sei er 2013 schon einmal freigesprochen worden.

Die Journalistenorganisation betonte, dass Raif Badawi kein Einzelfall sei. Zensur gebe in Saudi-Arabien täglich. Verboten seien etwa Kritik an Religionsführern und ungenehmigte Berichte über Gerichtsverfahren. Bestraft würden auch Berichte über die Proteste der schiitischen Minderheit oder Kritik an der Diskriminierung von Frauen.

Seit dem vergangenen Jahr habe das Königreich vor allem die Verfolgung von Online-Aktivisten verschärft, die über soziale Medien die Regierung kritisieren. Hunderttausende Internetseiten seien gesperrt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von «Reporter ohne Grenzen» steht Saudi-Arabien auf Platz 164 von 180 Ländern. (AFP/epd)

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