Amal al-Qubaisi - die erste Parlamentspräsidentin in der arabischen Welt

Die Frau mit dem schwarzen durchsichtigen Schleier, der Gesicht, geschminkte Augen und Lippen freilässt, war immer die «erste Frau»: Mit 46 Jahren wurde die Architekturprofessorin Amal al-Qubaisi im November 2015 zur ersten Parlamentspräsidentin in der arabischen Welt gewählt. Sie steht seit eineinhalb Jahren an der Spitze des Federal National Council, dem Parlament der 1971 gegründeten Vereinigten Arabischen Emirate.

Ihre Wahl bewertete «Dr. Amal», wie sie genannt wird, damals als «riesigen Erfolg». 2006 war Amal al-Qubaisi bereits zur ersten weiblichen Abgeordneten in den Federal National Council gewählt worden. Der Rat besteht aus 40 Parlamentariern, die zur Hälfte für vier Jahre gewählt, zur anderen Hälfte von der Regierung ernannt werden. 2011 wurde al-Qubaisi erste Vizepräsidentin und leitete als erste Frau eine Parlamentssitzung. Heute sitzen unter dem Vorsitz der durchsetzungsfähigen Politikerin neun Frauen im Parlament, das sind 23 Prozent.

Ihr großes Vorbild ist der Gründer und Präsident des Staates, Sheikh Zayed Al Nahyan - Emir von Abu Dhabi, Präsident mehrerer Fußballclubs und einer der reichsten Männer der Welt. Sein Credo: Der Erfolg seines Landes hängt davon ab, ob das Potenzial der Frauen ausgeschöpft wird.

«Dr. Amal» wurde auch in ihrer Familie ermutigt, ihre Meinung «nicht nur auszusprechen sondern auch zu verteidigen». Besonders ihr Großvater und ihre Mutter hätten zu ihr gestanden, erinnert sich die Parlamentspräsidentin, deren Tochter in die 8. Klasse geht: «Meine Mutter als starke Frau hatte einen großen Einfluss.»

Ihren Doktor in Architektur machte Amal al-Qubaisi in der Universität von Sheffield. Das Leben in Großbritannien sei kein Kulturschock gewesen, erzählt sie: «Ich hatte schon zuhause britische und ausländische Lehrer und ausländische Studenten in der Nachbarschaft.» Ihre Jahre in England seien allerdings sehr bereichernd gewesen durch viele Freundschaften mit Menschen aus aller Welt: «Das macht verständnisvoller und respektvoll für jede andere Kultur.»

Zurück in der Heimat wurde sie Präsidentin des Komitees für Erziehung, Jugend, Kultur und Medien, kämpfte für den Schutz der arabischen Sprache und des Kulturerbes sowie für Frauenrechte. So setzte sie einen längeren Mutterschaftsurlaub durch und erreichte, dass Mütter mit ihren Kindern auch ohne Erlaubnis des Ehemannes auf Reisen gehen können.

Die Emirate zählen neun Millionen Einwohner, davon 85 Prozent Ausländer. Zur Frage nach dem Los der Arbeitsmigrantinnen, die laut Amnesty International häufig körperlicher Gewalt ausgesetzt sind und ausgebeutet werden, sagt sie allerdings ausweichend, das Gesetz sichere «allen weiblichen Arbeitern alle Rechte zu».

Stolz verweist sie auf die vier Richterinnen und acht Ministerinnen der Vereinigten Emirate, zu denen die politische Hauptstadt Abu Dhabi und die Wirtschaftsmetropole Dubai gehören. Die Frauen in den Emiraten besetzen zwei Drittel der Jobs im öffentlichen Sektor, drei Prozent in Entscheidungsträgerpositionen. «In den Belegschaften der Regierung sind es 60 Prozent», betont sie, «und 30 Prozent davon in leitenden Positionen.» Die Industrie- und Handelskammer zählt 22.000 Geschäftsfrauen. Die Mehrheit der Universitätsabgänger ist weiblich, Tendenz steigend. Über 70 Prozent der Studierenden sind Studentinnen.

Auch wenn die westlichen Medien in der Regel das Bild der unterdrückten muslimischen Frau zeichnen: Globalisierung und Ölboom haben die emiratische Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit vom Nomadentum in die Moderne katapultiert und die Frauen auf einen - allerdings steinigen - Weg zu mehr Befreiung.

Noch liegen die Emirate in der Bilanz des «Gender Gap Index», mit dem das Genfer Weltwirtschaftsforum die Fortschritte bei der Gleichstellung von Frauen bewertet, auf Platz 124 von 144 – vor Saudi-Arabien, Syrien, Pakistan und Jemen auf den letzten Plätzen.

Anders als andere Frauen ihres Landes, die in westlicher Kleidung auf der Strandpromenade von Abu Dhabi flanieren, trägt Amal al-Qubaisi meist die traditionelle Abaya, einen schwarzen Umhang, der den Blick auf edle Markenschuhe freilässt. So repräsentiert «Dr. Amal» ihr Land in der ganzen Welt. Noch in diesem Jahr will Amal al-Qubaisi auch nach Deutschland kommen. (epd)

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