Ägypten will Journalisten für "falsche" Opferzahlen bestrafen

Journalisten müssen in Ägypten künftig mit einer Gefängnisstrafe rechnen, wenn sie nach Anschlägen "falsche" Opferzahlen verbreiten. Justizminister Ahmed al-Sind bestätigte am Sonntag Berichte ägyptischer Zeitung, die aus dem Gesetzesentwurf für das neue Anti-Terror-Gesetz zitierten. Demnach müssen Journalisten künftig mit mindestens zwei Jahren Haft rechnen, wenn sie "falsche Informationen über Terroranschläge" veröffentlichen, "die offiziellen Angaben widersprechen". Neben einer Haftstrafe sollen auch eine Abschiebung oder Hausarrest verhängt werden können.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte nach der Ermordung von Generalstaatsanwalt Hischam Barakat am vergangenen Montag schärfere Anti-Terror-Gesetze angekündigt. Das Kabinett hat der Neuregelung, die unter anderem schnellere Verfahren vorsieht, bereits zugestimmt. Wie Justizminister al-Sind sagte, führte auch die Berichterstattung über eine Anschlagsserie auf ägyptische Soldaten auf der Sinai-Halbinsel zur der Verschärfung.

Der ägyptische Ableger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hatte am Mittwoch eine Serie von Anschlägen auf Kontrollposten der Armee auf dem Sinai verübt, die zu heftigen Gefechten mit den Streitkräften führten. Nach Angaben eines Armeesprechers wurden dabei 21 Soldaten und mehr als hundert Dschihadisten getötet. Andere Behördenvertreter hatten jedoch deutlich höhere Opferzahlen genannt und von zwischen 70 und bis über einhundert Toten gesprochen.

Al-Sind sagte, derartige Berichte seien schlecht für die "Moral" des Landes. Die Regierung habe daher keine andere Wahl gehabt, als "neue Regeln" einzuführen. Es handele sich dabei aber nicht um eine Einschränkung der Pressefreiheit. "Es geht nur um Zahlen", fügte der Minister hinzu.

In Ägypten sitzen nach Angaben einer Hilfsorganisation derzeit mindestens 18 Journalisten wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Die Zahl der inhaftierten Journalisten sei damit so hoch wie seit mindestens 25 Jahren nicht mehr, berichtete das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ). Die Gefahr einer Festnahme werde von den Behörden dazu genutzt, Medien unter Druck zu setzen und kritische Stimmen zu zensieren, heißt es in einem Bericht, den das CPJ in New York jüngst veröffentlichte.

Medien wie Al-Dschasira oder die türkische Nachrichtenagentur Anadolu seien an weiterer Berichterstattung gehindert worden oder hätten ihre Büros schließen müssen. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi "nutze den Vorwand der nationalen Sicherheit, um Menschenrechte einzuschränken, darunter die Pressefreiheit", heißt es.

In Deutschland hatte die Festnahme des arabischen TV-Journalisten Ahmed Mansour wegen eines ägyptischen Haftbefehls für Aufsehen gesorgt. Mansur, der für den Nachrichtensender Al-Dschasira arbeitet, war nach zwei Tagen wieder freigelassen worden. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft lehnte eine Auslieferung des Journalisten nach Ägypten ab. Begründet wurde dies nicht nur mit rechtlichen Einwänden, sondern auch mit der Sorge der Bundesregierung vor politischen und diplomatischen Folgen. (AFP/dpa)

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